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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition)
Autoren: Nikola Hotel
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und diesem auch noch an Schlauheit bei Weitem überlegen. Marek hatte sich in seiner Begeisterung richtig heiß geredet:
    »Raben sind einfach faszinierend! Sie sind die intelligentesten Vögel der Welt. Auch wenn man Greifvögel noch so elegant findet, im Vergleich zum Raben sind sie dämlich.«
    Ich hatte Marek nur mit halbem Ohr zugehört, aber der nächste Satz hatte auch mich aufhorchen lassen:
    »Sie sind einem zweijährigen Kind in seinen geistigen Fähigkeiten durchaus ebenbürtig.«
    »Du meinst, sie sind so intelligent wie Schimpansen?«
    »Auf jeden Fall! Sie spionieren sich gegenseitig aus, beobachten wie andere ihr Futter verstecken, um es dann in Seelenruhe wieder auszugraben. Sie können bestimmte Situationen vorher gedanklich durchspielen, um sie dann fehlerfrei auszuführen. Und sie versetzen sich in die Lage ihrer Feinde, schließen daraus, wie sie reagieren werden.«
    »Wow, das fällt ja sogar manchen Menschen schwer.«
    Marek hatte gegrinst. »Jedenfalls können sie ihr Gegenüber perfekt einschätzen. Wenn sie zum Beispiel einen Wolf, den sie wohl für ziemlich blöde halten müssen, dabei beobachten, wie er Fleisch vergräbt, schauen sie ihm ungeniert zu. Versteckt aber ein anderer Rabe seine Beute, dann setzen sie ihr Pokerface auf und tun so, als hätten sie null Interesse.«
    » Und dann beklauen sie sich gegenseitig?«  
    »Sie haben ein sehr stark ausgeprägtes Sozialverhalten. Ihren eigenen Schwarm berauben sie normalerweise nicht.«
    Das war durchaus verständlich, zumindest aus menschlicher Sicht. Aber bestimmt steckte einfach nur Instinkt dahinter. Man biss ja auch nicht die Hand, die einen fütterte.
    Ich nahm einen weiteren Schluck Kakao. Er war immer noch heiß und deshalb brannte meine Oberlippe. Plötzlich sprang Lara auf und eilte zur Küchentür. Ich hörte sie noch ›Handy‹ murmeln, bevor sie verschwand.
    »Keine Tollwut«, sagte sie wenig später erleichtert und setzte sich auf einen der weißen Plastikstühle.
    »Gibt es Neuigkeiten aus dem Krankenhaus? Hat Marek mit dem Arzt gesprochen?«
    Lara strich sich wieder einige Strähnen hinter das Ohr, als könne sie so ihre Gedanken besser ordnen. »Zuerst einmal: Man konnte keine Tollwut-Erreger finden. Nicht in der Speichelprobe und auch nicht in der Blutprobe. Weder beim Wolf noch bei diesem Hund. So weit, so gut.«
    »Das klingt verdächtig nach einem › Aber ‹ «, erwiderte ich.  
    »Dieser Hund hatte einen ziemlichen Cocktail im Blut. Man hat Zilpaterol nachweisen können, ein Dopingmittel, das illegal in Mastbetrieben eingesetzt wird. Es verwandelt Fett in Muskelmasse und soll normalerweise das Gewicht erhöhen, damit an dem Schlachtvieh mehr verdient wird. Aber das ist noch nicht alles«, erklärte Lara. »Außerdem noch ein Mix aus Amphetaminen und Koffein. Das Vieh war so aufgeputscht, das hätte locker bei der Tour de France mitfahren können!«  
    »Also hat der Hund den Mann gebissen?«
    »Seltsamerweise nein. Das Ganze wird immer mysteriöser. Je mehr Infos ich bekomme, umso unlogischer erscheint es mir. Keine menschlichen DNA-Spuren. Absolut nichts. Nic«, fügte sie noch auf Tschechisch hinzu. »Es ist also sicher, dass weder der Hund noch der Wolf diesen Mann gebissen haben.«
    »Da stimmt doch was nicht«, überlegte ich laut. »Vielleicht sollten wir uns den Tatort nochmal bei Tageslicht ansehen.«
    »Genau das hat Marek vor. Er ist gerade auf dem Weg dorthin. Denn wenn es nicht eines der beiden Tiere war, die ihr gefunden habt, dann muss es ein drittes sein, und das läuft vielleicht noch frank und frei durch den Wald.«
    » Kann Marek mich nicht abholen?«  
    Lara lachte über meine Ungeduld. »Willst du nicht erst einmal hören, wie es eurem Eremiten geht?«
    »Hat er also doch mit dem Arzt gesprochen?«
    »Marek musste Dr. Pražák ja direkt die Untersuchungsergebnisse der Hunde durchgeben. Es ist alles okay, keine Sorge. Der Mann ist zwar immer noch auf der Intensivstation, aber er wird nicht mehr beatmet und ist sogar schon einmal aufgewacht.«
    Erleichtert sank ich gegen die Rückenlehne. Ich wusste gar nicht, warum ich mir so viele Sorgen gemacht hatte, schließlich kannte ich diesen Mann ja gar nicht. Aber ich fühlte mich doch verantwortlich. Immerhin hatten Marek und ich ihn gefunden und ins Krankenhaus gebracht. Und die letzten Minuten, die wir bei ihm verbracht hatten, waren so dramatisch gewesen, dass es mir jetzt noch eiskalt den Rücken runterlief.
    Erst dieses hohe Fieber von vierzig
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