Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition)
Autoren: Nikola Hotel
Vom Netzwerk:
Gliedern.
    Der Schatten einer Hand schwebte über meinem Gesicht und wischte mit einem weichen Tuch meine Tränen fort. Was ich dann tat, war ein Reflex, mehr nicht: Ich riss meinen rechten Arm hoch und schlug diese Hand beiseite.
    »Nicht!« War das meine Stimme?
    Ich sah in erschrockene Augen, die Farbe mehr braun als grün.
    Übelkeit überkam mich. Mein Magen krampfte sich zu der Größe eines Hühnereis zusammen. Ich rollte mich auf die Seite und erbrach das Letzte an Aas, das ich zu mir genommen hatte.
    Jemand fluchte.
    Hände fassten erst nach meinem Handgelenk, dann an die Kuhle neben meinem Kehlkopf.
    »Fadenförmiger Puls«, sagte die Rauchstimme. »Und er hat hohes Fieber. Ungewöhnlich, dass sich jetzt schon Entzündungszeichen bemerkbar machen.« Eine kurze Pause. »Ich werde einen Kollegen hinzurufen.«
    Das Nächste, woran ich mich erinnerte, war wieder ein Geruch nach Blut. Um mich herum helle Farben: Zitronengelb an den Wänden, weiße Bettwäsche, grelles Licht, das von der Decke zu mir herunterbrannte und ein hellgrauer Linoleumboden. Das alles sah ich nur durch einen schmalen Lidspalt. Neben meinem Bett hing ein Beutel mit dunkelrotem Inhalt. Ich gab dem Druck auf meine Augen nach und schloss sie. Wieder fassten Hände nach mir, aber ich wehrte mich nicht mehr. Etwas berührte meinen gesunden Arm und tröpfelte langsam, wie aus einem porösen Wasserhahn, in mich hinein.
    Doch schon kurz darauf zog sich mein Hals zusammen. Schweiß lief mir über die Stirn bis in die Augen. Meine Glieder prickelten wie von feinen Nadeln gespickt. Das Atmen fiel mir schwer. Ich keuchte. Diese Enge war unerträglich, als zerquetschte ein Fels mir den Brustkorb.
    »Doktor Pražák!« Diese Frauenstimme erkannte ich wieder.
    »Doktor!« Jetzt rief sie lauter, beinahe schrill. »Ich glaube, er bekommt keine Luft mehr!«
    Hastige Schritte.
    Ich schüttelte mich wie ein nasser Hund. Mein Herz wummerte, wurde langsamer, stolperte und galoppierte wieder davon. Schwach, so schwach. Es hatte keine Kraft mein Blut weiter durch meinen Körper zu pumpen.
    Jemand presste etwas Kaltes auf meine Brust. »Scheiße! Ich glaube er hat einen Schock!«
    Wieder Schritte. »Stellen Sie sofort die Transfusion ab, Doktor Pražák!« Papiere raschelten. »Der Patient hat die Blutgruppe AB negativ?«
    »Ja, Professor Syrový. Ich kann mir das nicht erklären! Der Bedside-Test zeigte eine Agglutination bei Anti A und Anti B.«
    Die Stimmen verschwammen.
    »... Spritze ... Cortison ... Theophyllin ...«
    Das Gewicht auf meiner Brust nahm noch zu, und dann waren meine Glieder auf einmal leicht und schwerelos, als trüge mich eine Strömung aufwärts.
    »Wo bleibt das EKG?«, brüllte jemand in den Raum.
    Luftwellen streichelten meine Schwingen, und ich glitt in einen warmen See aus Milch.
    »Blutdruck ist nicht mehr messbar!«

Grabaugen
     
     
     
    M eine rechte Hand zitterte unkontrolliert, und schwarze Brühe schwappte über meinen Tassenrand.
    »Du magst doch gar keinen Kaffee«, stellte Lara fest.
    »Ich dachte, etwas Koffein könnte nicht schaden.«
    Lara lachte, nahm mir die Tasse ab und schüttete den Inhalt in den Ausguss. Mit den Fingern strich sie sich das lange, blonde Haar aus dem Gesicht und brachte dabei ihre Ohrringe zum Klirren.
    »Ich mach dir einen Kakao, Süße. Was hältst du davon?«
    Ich lächelte dankbar, war aber mit den Gedanken ganz woanders. »Wo bleibt Marek nur so lange?«
    »Er wird sicher gleich hier sein. Er wollte unbedingt dabei sein, wenn der Tierarzt die Kadaver untersucht. Wir müssen wissen, ob sie tollwütig waren.«
    Unwillkürlich trommelte ich mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte und probierte mehrere Rhythmen aus. Lara stellte eine dampfende Tasse auf den Tisch. Vorsichtig nippte ich daran, aber selbst dieser süße Genuss konnte mich nicht darüber hinwegtrösten, was in den vergangenen Stunden passiert war.
    Erst der Schuss, die Entdeckung des verletzten Eremiten und dann auch noch diese grauenvolle Situation im Krankenhaus. Das alles war nicht nur furchtbar mitzuerleben, sondern auch noch mehr als merkwürdig.
    Besonders wenn man den Raben bedachte.
    Das war überhaupt das Seltsamste von allem: Der tote Rabe in den Händen dieses nackten Einsiedlers. Ein Kolkrabe, wie Marek mir erklärt hatte. Eine Rasse, die selbst bei uns im Nationalpark nicht allzu häufig anzutreffen war. Der größte Rabenvogel überhaupt, mit einer Flügelspannweite von bis zu anderthalb Metern. Größer als ein Bussard,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher