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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition)
Autoren: Nikola Hotel
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Grad, das sich nicht senken ließ, und dann noch der extreme Blutverlust durch die Bisswunde. Anscheinend hatte der Mann auf das fremde Blut auch noch allergisch reagiert, obwohl die Blutgruppen übereingestimmt hatten. Jedenfalls war er dem Tod ziemlich knapp von der Schippe gesprungen und das hatte mich doch mehr mitgenommen, als ich mir zuerst eingestehen wollte.
    »Es würde mich ja schon interessieren, was der Kerl dort im Wald zu suchen hatte, und das mitten in der Nacht«, riss mich Lara aus meinen Überlegungen. Dann wechselte sie abrupt das Thema. »Komm! Es hat doch keinen Sinn hier rumzusitzen und zu grübeln.« Sie schob den Stuhl zurück und ließ die Fachzeitschrift vom Nationalpark, in der sie nebenbei geblättert hatte, auf den Tisch fallen. Ich warf einen Blick auf den Titel des Artikels: › Biosphere reserves – learning sites of sustainable development?‹ Ich beneidete Lara nicht gerade darum, so etwas lesen zu müssen.  
    »Lass uns lieber die neuen Fallen überprüfen. Da kann ich zur Abwechslung mal wieder durch den Wald streifen und außerdem lenkt es ab.«
    Ich nickte. Ablenkung konnte ich auch gut gebrauchen.
    Ich studierte die Karte, auf der Marek unsere letzte Tour markiert hatte. »Wir müssen die westliche Route nehmen.« Zwei der Fallen waren in unmittelbarer Umgebung des Aussichtsturms und die dritte etwa anderthalb Kilometer davon entfernt.  
    »Fahrräder?«, fragte ich Lara.
    »Nnja.« Sie knurrte durch zusammengebissene Zähne. Lara hasste Fahrradfahren. Mit einem Märtyrerblick verschwand sie nach draußen, und ich packte das Blasrohr und das Narkosebesteck in den Rucksack und suchte danach noch zwei funktionstüchtige GPS-GSM-Halsbänder aus dem Technikraum heraus.
     
    Wir fuhren auf dem Weg, der auch den Touristen als Wanderweg diente. Nachdem sich der zähe Nebel endlich verzogen hatte, drängte sich tatsächlich die Sonne durch den Wolkenhimmel, und es wurde mir in meinem Parka beinahe zu warm. Wir stellten die Räder am Aussichtsturm ab und orientierten uns mit Karte und Kompass.
    Leider hatten wir kein Glück. An beiden Stellen waren die vier ausgelegten Schlingenfallen noch intakt und unter Blättern und Zweigen verborgen. Die Tierrisse, in einem Fall ein Marder, in dem anderen ein Reh, waren nicht weiter angefressen worden. Zumindest konnten wir sicher sein, dass der Luchs unsere Fallen nicht überwunden hatte, und es bestand die Hoffnung, ihn vielleicht noch in den nächsten Tagen einzufangen.
    Die dritte Falle war keine Schlingenfalle, sondern eine Holzkastenfalle, die an Plätzen installiert wurden, die Luchse häufig aufsuchten. In der ersten Zeit werden diese Fallen nicht aktiviert, damit die Tiere sich an sie gewöhnen. Später wird der Schließmechanismus durch einen Stolperdraht ausgelöst. Marek machte mit dieser Art bereits seit zwei Jahren gute Erfahrungen. Und doch waren wir jetzt mehr als überrascht, als in einer Ecke des dunklen Kastens tatsächlich ein Luchs kauerte.
    Das Tier wirkte überhaupt nicht aggressiv. Lara musste es trotzdem mit dem Blasrohr betäuben, da es sich schließlich immer noch um ein Raubtier handelte. Nach Bär und Wolf sogar um das größte Raubtier in Europa.
    »Ein Prachtkerl!«, befand Lara, als das Narkosemittel zu wirken begann und wir es wagen konnten, das Tier genauer in Augenschein zu nehmen.
    »Ein richtiges Muskelpaket«, bestätigte ich. Der Luchs hatte die mandelförmigen Augen halb geschlossen und brummte ungehalten. Die langen Haarpinsel an den Ohren standen steil nach oben, und der Backenbart spreizte sich ab. Das Fell der Raubkatze hatte sich schon winterlich graubraun verfärbt. Die im Sommer ausgeprägten, dunklen Flecken konnte man kaum noch erkennen.
    Ich half Lara, den Tragesack für die Waage auszubreiten, und gemeinsam wuchteten wir das Tier hinein. Es brachte knapp dreißig Kilo auf die Waage, was selbst für ein so großes Männchen beeindruckend war.
    »Der steht wirklich gut im Futter!«, stöhnte Lara, als wir ihn wieder aus dem Tuch stemmten. Mit einem Maßband überprüfte sie die Kopf-Rumpflänge des Tieres und trug alles in ein Datenblatt ein. Sein Gebiss war noch vollständig, was den guten Gesundheitszustand nur bestätigte.
    »Wie sollen wir ihn nennen? Diesmal darfst du einen Namen aussuchen.«
    Ich überlegte nicht lange. Bei einem so imposanten Kater konnte mir nur ein Name einfallen.
    »Peter.«
    »So wie Heidis Peter?«
    »Ich dachte eher an Peter den Großen.«
    »Ein Russe!« Lara stöhnte
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