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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition)
Autoren: Nikola Hotel
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machen!«
    »Ist gut. Ich komme mit dem Rad rüber.«
    »Nein, lass das Rad! Wir nehmen den Suzuki. Bestimmt müssen wir das Tier mitnehmen und zum Tierarzt bringen.« Er atmete laut in den Hörer. »In drei Minuten bin ich bei dir.«
    Ich legte auf und verkürzte das Zähneputzen auf dreißig Sekunden, bevor ich mich aus meiner Jogginghose quälte und in die eiskalten Jeans stieg.
    Ganzkörpergänsehaut.
    Leider musste ich auf das zusätzliche Paar Socken verzichten, sonst hätte ich nicht in die Stiefel gepasst. Ich schnürte gerade den zweiten, als ich hörte, wie der Motor von Mareks Auto hundert Meter entfernt startete, schnappte meinen Parka und knallte die Tür hinter mir zu. Marek sollte nicht behaupten können, er hätte auf mich warten müssen.
    Als er neben mir hielt, riss ich die Tür auf und ließ mich auf den Sitz fallen.
    »Guten Morgen.« Er lächelte entschuldigend.
    »Dreh bloß die Heizung auf!«, gab ich zurück und klemmte meine Hände zwischen die Oberschenkel.
    »Gut geschlafen?«, fragte er, dabei sah er selbst so aus, als wäre sein schütteres Haupthaar in der Nacht explodiert.
    »Wann kommt der Heizungsinstallateur?«, fragte ich anstelle einer Antwort. Eine kleine Provokation zum Wachwerden konnte schließlich nicht schaden.
    Marek schürzte die Lippen und bog auf einen breiten Schotterweg ab.
    »Ich werde mich heute darum kümmern. Versprochen!«
    Ich nickte. »Wer hat dich angerufen?«
    »Irgendein Bauer aus der Umgebung vermutlich. Ich hab den Namen nicht verstanden. Wir müssen nicht weit«, erklärte er, »etwa achthundert Meter von der Straße entfernt. Ein Wanderhirte hat seine Herde dort geparkt. Der Bauer war stinksauer. Angeblich hatte er die Weide mit einem Strohbündel markiert, damit keine fremden Tiere darauf weiden. Er hat sich total darüber aufgeregt, dass der Schäfer die Markierung missachtet hat.«
    »Also ist es einer seiner Hunde?«
    »Keine Ahnung. Jedenfalls habe ich keine Lust, mich mitten in der Nacht als Streitschlichter zu betätigen.« Er presste die Lippen aufeinander.
    Es war immer noch stockduster, und die Scheinwerfer des Geländewagens warfen nur einen bescheidenen Lichtkegel nach vorne. Marek verlangsamte das Tempo, als sich die Straße in Richtung eines Feldwegs krümmte. Langsam strahlte die Heizung Wärme aus, und ich streckte meine Finger der Lüftung entgegen. Vor uns leuchtete etwas Rotes auf: ein ziemlich dreckiger Ford Escort.
    »Wir sind da.« Er lenkte den Wagen direkt hinter das rote Auto. Das Knirschen unter den Reifen verstummte. Ich ließ den Gurt aufschnappen und stieß die Tür auf.
    Marek ging zur Rückseite des Wagens und öffnete den Kofferraum. Ich lauschte in die Dunkelheit, hörte aber nur das ruhige Schnaufen der Schafherde.
    »Hier.« Er hielt mir eine Taschenlampe hin.
    »Und wohin jetzt? Sollen wir die ganze Weide absuchen?«, fragte ich.
    Marek seufzte, öffnete erneut die Wagentür und beugte sich nach innen. Ein lautes Hupen ließ mich zusammenfahren. Ich warf meinem Arbeitgeber einen vorwurfsvollen Blick zu, aber das konnte er in dieser Dunkelheit unmöglich erkennen. Aus der Herde antwortete uns ein unsicheres Blöken. Es folgte der Ruf einer rauen Stimme.
    Das Licht einer Campinglaterne flackerte auf, und ein völlig verwahrloster Typ kam uns entgegen: unrasiert und mit dreckverkrusteter Kleidung. Er hielt sich die Laterne vor das Gesicht und begrüßte uns mit einem tschechischen Wortschwall. Die Finger, die die Laterne hielten, waren blau verfärbt, vermutlich von dem antibiotischen Spray, mit dem er die Klauen seiner Tiere behandelte. Marek sprach ebenfalls Tschechisch, eindeutig in Fragestellung. Ich schämte mich dafür, mich bisher so wenig mit dieser Sprache befasst zu haben und gelobte insgeheim Besserung. Die beiden schienen über irgendetwas zu diskutieren. Der Schäfer führte uns quer über die Wiese bis zum Wald, und ich wunderte mich, wieso wir uns so weit von der Herde entfernen mussten.
    Zwischen den Bäumen drangen abscheulich klingende Schmerzenslaute hervor. Sie schienen weder menschlicher noch tierischer Art zu sein.
    War der Hund so schwer verletzt? Warum hatte ihm der Schäfer dann nicht den Rest gegeben? Mein Herzschlag beschleunigte sich, und ich hoffte, dass es nicht zu ekelig wurde. Ich wollte mich nicht vor Marek und dem Schäfer blamieren, indem ich direkt neben das angeschossene Tier auf den Waldboden kotzte.
    Wieder ein rauer abgehackter Satz des Schäfers. Er unterstrich seine Worte, indem er
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