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Rabenblut drängt (German Edition)

Rabenblut drängt (German Edition)

Titel: Rabenblut drängt (German Edition)
Autoren: Nikola Hotel
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Biologin war, noch über die gewünschten Sprachkenntnisse in Tschechisch verfügte. Die beiden arbeiteten schon seit vielen Jahren grenzübergreifend mit anderen Forschern zusammen, und ich war für die Arbeit eingeteilt worden, bei der man nicht zwingend mit anderen Projekthelfern kommunizieren musste.
    Hauptsächlich bestand meine Arbeit darin, bei der Riss- und Losungssuche von Luchsen mitzuhelfen. Das bedeutete, dass ich auf meiner Route durch den Wald nach getötetem Wild Ausschau hielt. Meist waren das Rehe, Rothirschkälber oder Feldhasen. Fanden wir erlegtes Wild, positionierten wir Schlingenfallen um das tote Tier.
    Luchse fraßen noch bis zu sieben Tage lang an ihrer Beute, und so konnten wir hoffen, eines dieser Raubtiere einzufangen und mit einem Sender auszustatten. Mit diesem Sender war es uns dann möglich, die Aktionsräume des Luchses zu erforschen. Wo ging er jagen? Wo schlief er? Wie oft wechselte er sein Revier? Die Auswertung dieser Telemetrie-Daten war Mareks Aufgabe. Lara war die PR-Frau, zuständig für die Gestaltung der Homepage und die Leiterin der aktuellen Projektarbeit: › Der Einfluss des Raubtieres auf seine Beute ‹.
    Ortsansässige Helfer verrichteten die anfallenden Technik- und Schreinerarbeiten. Ich zitterte. Ob es darunter wohl jemanden gab, der meine Heizung reparieren konnte? Sicher war es draußen noch wärmer als hier drinnen. Die graue Blechfassade, hinter der ich schlief, schien ausschließlich Kälteatome aufzusaugen.
    Ein Blick auf meinen Wecker prophezeite mir noch genau achtundfünfzig Minuten bis zum Klingeln. Da lohnte es sich gar nicht mehr einzuschlafen. Allerdings konnte mich die Vorstellung, in dieser Kälte vor dem Laptop zu sitzen und Spammails zu löschen, auch nicht reizen, und ich knipste das Licht wieder aus.
    Die Vorhänge an den Fenstern standen einen Spalt offen, aber der Nebel hing so tief, dass das Mondlicht nur träge auf mein Bett fiel.
    Ich stellte mir all die nachtaktiven Tiere vor, die jetzt durch das Unterholz streiften. Gleich, noch vor Tagesanbruch, würden sie zurück zu ihren Schlafplätzen huschen - in Höhlen, Felsspalten oder unter riesige Wurzelteller.
    Der nachtdunkle Wald gruselte mich nicht, sondern übte eine eigenartig beruhigende Wirkung auf mich aus. In diesem Wald gab es keine Gefahren oder Tiere, die erschreckend waren. Keine Schäden, keine Katastrophen. Alles hatte seine eigene Ordnung und Naturgesetze. Selbst Stürme wie Kyrill hatten dem Nationalpark nicht schaden können. Es war eine natürliche Zerstörung, die Raum für neues Leben bot, denn die Natur besaß einen anderen Blickwinkel als wir Menschen, keinen ökonomischen.
    Musste ich mitten in der Nacht über solche Dinge nachgrübeln? Schlafen sollst du! , schalt ich mich. Aber als Befehl zeigte es leider auch keine Wirkung. Und gerade als der Gedanke daran, im Parka vor dem Laptop zu sitzen, für mich an Attraktivität gewann, hörte ich einen lautpeitschenden Knall. Erschrocken riss ich mir die Decke vom Kopf und horchte.
    Stille.
    Sekundenlang hielt ich den Atem an.
    Wirklich absolute Stille. Leise sog ich wieder Luft in meine Lungen. Ich fragte mich, aus welcher Richtung der Schuss wohl gekommen sein könnte. Denn dass es ein Schuss gewesen war, daran bestand kein Zweifel. Dieser harte, nachschallende Knall konnte unmöglich etwas anderes bedeuten.
    Den Gedanken, Marek deswegen zu benachrichtigen, verwarf ich aber schnell. Das war wohl kaum ein Grund, in aus dem Bett zu reißen. Was, wenn es sich doch nur um die Fehlzündung einer alten Rostlaube handelte?
    War der Knall überhaupt so furchtbar laut gewesen? Ich hatte schließlich wach gelegen und auf jedes kleinste Geräusch gelauscht. Sicher wäre ich niemals davon aufgewacht.
    An Schlaf war jetzt natürlich gar nicht mehr zu denken. Also schob ich die Decke endgültig von mir und tappte ins Bad. Doch kaum hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, klingelte das Telefon.
    »Isa?« Mareks Stimme hörte sich ziemlich verschlafen an. »Tut mir leid, dass ich dich so früh anrufe -«
    »Ich war schon wach!«, unterbrach ich ihn schnell. »Hast du den Knall auch gehört?«
    »Knall?«, er wirkte irritiert. »Nein. Ich wurde gerade angerufen. Ein Jungtier aus einer Schafherde wurde gerissen und irgendjemand hat den wildernden Hund angeschossen. Vielleicht hast du den Schuss gehört.«
    »Soll ich mitkommen?«
    »Deshalb rufe ich an. Lara kann ich jetzt unmöglich wecken. Sie würde mir den Tag zur Hölle
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