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Raban, der Held

Raban, der Held

Titel: Raban, der Held
Autoren: Joachim Masannek
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Vanessa und Maxi, Markus und Jojo und Felix, Joschka, Deniz und Juli. Alle gingen sie nacheinander und wortlos an mir vorbei und fuhren auf ihren Rädern davon.
    Nur Fabi blieb noch bei mir. Fabi, mein bester Freund. Auch wenn Leon sein bester Freund war. Er hatte immer zu mir gehalten, genauso wie ich zu ihm. Besonders als Deniz aufgetaucht war und seinen Stammplatz als Rechtsaußen bedrohte. Doch jetzt stand auch Fabi auf und legte mir die Hand auf die Schulter.
    „Mach dir nichts draus! Das kann jedem passieren!“, nuschelte er, und ich glaubte ihm kein einziges Wort.
    „Ach ja? Und wen meinst du damit, mit dem ,jedem’? Meinst du dich? Oder willst du etwa behaupten, dass Leon oder Marlon oder Rocce so was passiert?“
    Fabi schwieg. Er schwieg aus Rücksicht auf mich. Doch das war ein Fehler. Sein Schweigen verletzte mich mehr. Warum sagte er nicht einfach die Wahrheit? ,Raban, vergiss es. Fußball ist nicht dein Sport. Werd Minigolfer oder Eisstockschießer. Ja, oder am besten trittst du in einen Bastelverein für Weihnachtsschmuck ein. Aber bitte lass die Wilden Fußballkerle in Zukunft in Ruhe!’
    Fabi spürte, was los war. Er spürte es ganz genau. Deshalb ging er zu seinem Fahrrad, schloss es auf und fuhr los.
    Ich wartete, bis er hinter der Kuppe des Hügels verschwand. Dann schnäuzte ich mich, wischte mir die Tränen aus meinem Gesicht, bestieg mein 12-Zoll-Mountainbike und kämpfte mich heim.
    Ich fühlte mich wie der einsamste Mensch auf der Welt. So, als hätte ich eine Tarnkappe auf, die ich nicht mehr loswerden könnte, und niemand würde mich hören und sehen. Ich fühlte mich hundsmiserabel. Da schreckte mich jemand aus meinem Selbstmitleid auf wie ein gerade gekochtes Ei unter eiskaltem Wasser. Jemand, der mich trotz meiner Tarnkappe sah.
    „Jetzt hab ich dich, Bürschchen!“, rief der Obsthändler am Anfang der Rosenkavaliersgasse und sprang auf mich zu. Ich gab sofort Gas. So fertig war ich noch nicht mit der Welt, dass ich mich diesem Kerl freiwillig ausliefern würde.
    „Dreifach geölte Eulenkacke!“, schrie ich entsetzt und flutschte im letzten Moment unter den baggerkrallenartigen Händen meines Jägers hindurch.
    „Ja!“, rief ich, „Ja!“, und sah wieder Licht am endlosen Tunnel. „Was haben Sie gerade gesagt? Sie wollen mich fangen? Beim allmächtigen Fettnäpfchenflaschengeist! Das schaffen Sie nie!“
    Doch das war ein Irrtum. Der Obsthändler hatte seinen Stand bereits auf der Ladefläche seines Lieferwagens verstaut. Jetzt sprang er ins Führerhäuschen hinein und raste mit quietschenden und qualmenden Reifen hinter mir her.
    „Beelzebub und Superpechvogel!“, verfluchte ich mein Schicksal. „Verzieht euch! Los, macht ’ne Fliege! Haut ab!“
    Doch wie sollte ich auf einem 12-Zoll-Mountainbike mit Traktorhinterrad einem Lieferwagen entkommen? So viel Glück gab es nicht auf der Welt!
    Da machte es einen furchtbaren Rums. Die Klappe zur Ladefläche sprang auf. Der Obsthändler hatte sie noch nicht verriegelt, und mit dem gewaltigen Rums wurde die gesamte Wagenladung vom Rückstoß des Blitzstarts als gigantisches Hypodesaster auf die Straße katapultiert.

    Noch einmal quietschten und qualmten die Reifen. Der Obsthändler stieg in die Bremsen, dass der Motor absoff. Der Lieferwagen bockte und sprang, dann stand er quer auf der Straße, und während ich die Toreinfahrt der Rosenkavaliersgasse Nr.6 erreichte und in Sicherheit war, sprang der Obsthändler aus dem Führerhaus, raufte sich seine Haare und schimpfte hinter mir her: „Bete, Bürschlein! Das rate ich dir! Bete! Denn wenn ich dich jemals erwische, ist es dafür zu spät!“

Blindfisch und Spiegelgeist
    An diesem Abend ging ich sehr früh ins Bett. Obwohl es Samstag war und ich länger aufbleiben durfte, verkroch ich mich unter der Decke. Meiner Mutter war das egal. Sie bemerkte es gar nicht. Sie hatte zu tun. Und selbst wenn sie Zeit gehabt hätte, hätte sie mich nicht verstanden. Für sie war Fußball dasselbe wie für mich ein Kleiderschnittmuster aus einer Modezeitschrift. Ja, und ich verwette meine Coca-Cola-Glas-Brille dafür, ohne die ich blind bin wie ein Maulwurf im Autoscheinwerferlicht, dass sie nicht einmal ahnte, was das für ein Tag für mich war.

    Wir, die Wilden Fußballkerle , hatten heute nicht nur die Herbstmeisterschaft verspielt. Nein. Wir lagen jetzt sechs unaufholbare Punkte hinter dem Spitzenreiter zurück. Deshalb war auch die Meisterschaft futsch und mit ihr das große Ziel
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