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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Teilen, was am schnellsten zu erlangen war. Neros Anblick erschreckte sie. Er irrte allein durch das weite Gebäude und erfüllte es mit dem Geschrei der Furcht und Verzweiflung.
    Endlich kamen ihm seine Freigelassenen Phaon, Sporns und Epaphroditus zu Hilfe. Sie wünschten, er solle fliehen, und erklärten, es sei keine Zeit zu verlieren. Er aber war noch in Täuschungen befangen. Wenn er Trauerkleider anzöge und so zum Senat redete, würde dann dieser wohl seinen Bitten, seiner Beredsamkeit widerstehen können? Und verbände er mit seiner Rhetorik noch die Kunst des Schauspielers, wer auf Erden hätte dann solche Macht? Würde man ihm nicht wenigstens die Präfektur Ägyptens übertragen?
    Die Freigelassenen, gewohnt, ihm zu schmeicheln, hatten noch nicht den Mut, ihm die volle Wahrheit zu entdecken. Sie warnten ihn deshalb vor der Volkswut, die ihn in Stücke zerrisse, noch ehe er das Forum erreichte, und erklärten, daß, wenn er nicht sofort sein Pferd bestiege, sie ihn verlassen würden.
    Phaon bot ihm einen Zufluchtsort in seiner Villa hinter der Porta Nomentana an. Darauf bestiegen sie Pferde, Nero zog eine Kapuze über das Gesicht, und so galoppierten sie zur Stadtgrenze. Die Nacht war nahezu vorüber. Auf den Straßen herrschte noch so reges Leben, wie es der besondere Charakter dieser Tage mit sich brachte. Einzelne kleinere Gruppen von Soldaten waren durch die ganze Stadt zerstreut. Nicht weit von ihrem Lager scheute plötzlich Neros Pferd vor einer Leiche und sprang zur Seite. Da fiel die Kapuze von seinem Haupt; ein Soldat erkannte ihn und erwies, über die unerwartete Begegnung betroffen, den militärischen Gruß. Während sie durch das Lager ritten, hörten sie donnernde Jubelrufe zu Ehren Galbas. Nero begriff nun endlich, daß seine Stunde nahe sei. Schrecken und Gewissensbisse bemächtigten sich seiner. Er erklärte, er sehe nur Dunkelheit um sich wie eine schwarze Wolke. Daraus blickten Gesichter, die er als die seiner Mutter, seiner Frau und seines Bruders erkenne. Die Zähne klapperten ihm vor Schrecken; doch fand seine Komödiantenseele noch eine Art Reiz in der Angst dieses Augenblicks. Unbeschränkter Herr der Welt zu sein und trotzdem alles zu verlieren erschien ihm als der höchste tragische Effekt; und sich selber getreu, spielte er die Rolle bis zum Ende. Ein wahres Fieber, Verse zu zitieren, ergriff ihn, dabei der leidenschaftliche Wunsch, seine Begleiter möchten alle seine Verse der Nachwelt aufbewahren. Zuweilen verlangte er zu sterben und rief nach Spiculus, der unter allen Gladiatoren die größte Geschicklichkeit beim Töten besaß; zuweilen deklamierte er: „Mutter, Weib, Vater, ruft mich zum Tode!“ Doch flammte auch wieder die Hoffnung in ihm auf, eitle, kindische Hoffnung. Er wußte, daß er dem Tode entgegenging, trotzdem glaubte er es nicht.
    Das Nomentanische Tor war geöffnet. Ihr weiterer Weg führte sie in die Nähe des Ostrianums, wo Petrus gelehrt und getauft hatte. Bei Tagesanbruch erreichten sie Phaons Villa.
    Hier verbarg ihm der Freigelassene nicht länger mehr die Tatsache, daß er sterben müsse. Er gab seinen Leuten Befehl, ein Grab zu machen, und ließ Nero sich auf die Erde legen, damit das Maß genau genommen werden könne. Der Anblick der aufgeworfenen Erde erfüllte Nero mit Schrecken. Sein fleischiges Antlitz wurde weiß, auf seiner Stirne stand der Schweiß in Tropfen wie der Morgentau. Er zögerte. Mit mutloser und theatralischer Stimme erklärte er, seine Stunde sei noch nicht gekommen; dann fing er wieder an zu zitieren. Endlich bat er, seinen Körper zu verbrennen.
    „Welch ein Künstler geht mit mir verloren!“ sagte er wiederholt, wie in tiefem Staunen.
    Jetzt langte Phaons Bote mit der Nachricht an, daß der Senat sein Urteil erlassen habe: Der Parricida, der Mörder und Hochverräter, solle nach dem herkömmlichen Gebrauche bestraft werden.
    „Worin besteht der herkömmliche Gebrauch?“ fragte Nero mit blaß gewordenen Lippen.
    „Man wird deinen Hals in die Gabel stecken, dich zu Tode peitschen und deinen Leib in den Tiber werfen“, erwiderte Epaphroditus zögernd.
    Nero entblößte seine Brust.
    „Dann ist es Zeit!“ sagte er, um sich blickend; darauf wiederholte er:
    „Welch ein Künstler geht mit mir verloren!“
    Im gleichen Augenblick hörte man den Hufschlag eines Pferdes. Es war der Zenturio, der mit seinen Prätorianern kam, um den Kopf des Feuerbartes zu holen.
    „Beeile dich!“ rief der Freigelassene.
    Nero setzte das Messer
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