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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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zusammenhielten, Kränze aus Rosen auf die Köpfe der Gäste, indem sie diese der Sitte gemäß aufforderten, den rechten Fuß zuerst über die Schwelle zu setzen. Ein leichter Veilchenduft erfüllte die Halle; die Lichter brannten in vielfarbigen Alexandrinergläsern. Neben den Polstern standen Griechenmädchen um die Füße der Gäste mit wohlriechenden Flüssigkeiten zu benetzen. An der Wand harrten Sänger und Zitherspieler auf ein Zeichen ihres Gebieters.
    Das Tafelgerät war prunkvoll. Doch drängte sich dieser Prunk nicht auf und verletzte niemand; er schien ein natürliches Ergebnis des ganzen hier herrschenden Tones zu sein. Die Gäste fühlten gleich beim Eintreten, daß hier weder Gefahr noch Zwang zu fürchten war wie beim Cäsar, wo man infolge ungenügenden oder zu ungeschickt angebrachten Lobes das Leben verwirken konnte. Der Anblick des in Schnee gekühlten Weines, der auserlesenen Gerichte, der efeuumrankten Becher und der bunten Lampen füllte jedes Herz mit Frohsinn. Fröhliches Geplauder begann, dann und wann unterbrochen durch helles Gelächter oder Beifallsmurmeln oder einen allzu laut auf eine weiße Schulter gedrückten Kuß.
    Die Geladenen schütteten einige Tropfen Wein zu Ehren der Götter aus, um deren Schutz und Gunst für den Gastgeber zu gewinnen. Daß viele unter ihnen gar nicht an die Götter glaubten, hatte dabei nichts zu sagen. Sitte und Aberglaube schrieben es nun einmal vor. Petronius, an Eunikes Seite gelagert, plauderte über Rom, die jüngsten Ehescheidungen, Liebeshändel, Wettrennen, über Spiculus, der kürzlich in der Arena berühmt geworden war, und über die neuesten Bücher aus den Verlagen des Atractus und der Sosier. Bei dem erwähnten Trankopfer bemerkte er, er tue es ausschließlich zu Ehren der Herrin von Kypros, der ältesten und erhabensten Gottheit, die allein unsterblich und allmächtig sei. Sein Plaudern glich dem Sonnenschein, der jeden Augenblick einen neuen Gegenstand beleuchtet, oder dem Sommerlüftchen, das in Gärten Blumen aufweckt. Endlich winkte er den Musikanten, und die Zithern erklangen, von jugendlich frischen Stimmen begleitet. Mädchen von Kos, der Geburtsstätte Eunikes, tanzten und zeigten ihre schönen, nur mit leichten Gazehüllen bedeckten Formen. Ein ägyptischer Wahrsager verkündete den Gästen aus den Bewegungen der Regenbogenfarben in einem Kristallgefäß ihre Zukunft.
    Sobald man dieser Vergnügungen satt war, richtete sich Petronius von seinem syrischen Polster empor und sagte ruhig:
    „Verzeiht mir, meine Freunde, wenn ich eine Bitte ausspreche. Jeder möge den Becher, aus dem er zuerst zum Wohle der Götter und dann zu meinem Wohlergehen einige Tropfen ausgegossen hat, als Geschenk annehmen.“
    Die Becher des Gastgebers waren golden, mit Edelsteinen geschmückt und von kunstreicher Hand ziseliert. Obschon Geschenke in Rom Sitte waren, leuchtete dennoch jedes Gesicht freudig auf. Viele dankten laut, andere sagten, Jupiter im Olymp habe nie mit solchen Gaben Götter geehrt; einige weigerten sich sogar, das allzu kostbare Geschenk anzunehmen.
    Petronius hob die myrrhenische Vase hoch empor, deren Brillantfeuer den Regenbogen übertraf; sie war geradezu unbezahlbar.
    „Daraus“, sagte er, „goß ich die Weinspende zu Ehren der kyprischen Göttin. Keines Menschen Mund wird sie nach mir berühren, keiner anderen Gottheit als der kyprischen soll je aus ihr gespendet werden.“
    Er schleuderte das kostbare Gefäß auf den safranbestreuten Boden; als es in tausend Scherben zersprungen war, sprach er zu den verblüfften Zuschauern:
    „Meine teuren Freunde, seid fröhlich und staunt nicht! Altersschwäche ist eine traurige Begleiterin der letzten Lebensjahre. Ich gebe euch ein gutes Beispiel und guten Rat: Ihr habt die Macht, dem Alter auszuweichen; ihr könnt von hinnen gehen, bevor es da ist; so tue ich es.“
    „Was willst du tun?“ fragten erschrockene Stimmen.
    „Ich will genießen, will Wein trinken, Musik hören, göttliche Formen an meiner Seite sehen und bekränzten Hauptes entschlafen. Ich habe vom Cäsar Abschied genommen. Wollt ihr hören, wie ich von ihm scheide?“
    Ein Blatt unter dem Purpurkissen hervorziehend, begann er zu lesen:
    „Ich weiß, o Cäsar, daß Du meine Ankunft ungeduldig ersehnst, daß Dein treues Freundesherz Tag und Nacht nach mir sich sehnt. Ich weiß, Du willst mich mit Gaben überschütten, mich zum Präfekten der Prätorianer machen und Tigellinus befehlen, zu sein, wozu die Götter ihn
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