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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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schufen, das heißt ein Eseltreiber in jenen Ländern, die Du nach Domitius’ Vergiftung erbtest. Verzeihe mir! Denn ich schwöre Dir beim Hades und bei dem Schatten Deiner Mutter, Deines Weibes, Deines Bruders und beim Schatten Senecas, daß ich nicht zu Dir kann. Das Leben ist ein kostbarer Schatz. Diesem Schatze habe ich die köstlichsten Juwelen entnommen; allein es gibt im Leben manches, was ich nicht ausstehen kann. Ich bitte Dich, nimm ja nicht an, ich sei beleidigt, weil du Deine Mutter, Dein Weib, Deinen Bruder ermordet, weil Du Rom verbrannt und alle Ehrenmänner Deines Reiches dem Erebos überliefert hast. Nein, Urenkel des Chronos! Tod ist das Erbteil des Menschen; von Dir durfte man nichts anderes erwarten. Doch meine Ohren jahrelang mit Deiner Poesie sich zugrunde zu richten, Deinen Schmerbauch mit den Spatzenbeinen im pyrrheischen Tanze sich herumdrehen zu sehen, Deine Musik, Deinen Vortrag, Deine Knittelverse zu hören, erbärmlicher Vorstadtvogt, das geht über meine Kräfte und hat den Wunsch zu sterben in mir erweckt. Rom stopft sich die Ohren, wenn es Dich hört; die Welt verhöhnt Dich. Ich kann nicht länger für Dich erröten und will’s auch nicht. Das Heulen des Cerberus, obschon Deiner Musik aufs nächste verwandt, wird mich weniger widerlich berühren; denn ich war ja nie der Freund des Cerberus und brauche ob seines Geheuls nicht schamrot zu werden. Lebe wohl, doch verübe keine Musik. Begehe Morde, doch mache keine Verse; sei Giftmischer, aber kein Tänzer; sei Brandstifter, aber erbarme Dich wenigstens der Zither. Dies der letzte Wunsch und Freundesrat Deines Arbiter elegantiarum.“
    Die Gäste waren sprachlos vor Schrecken; wußten sie doch, daß der Verlust seines Reiches für Nero weniger schrecklich sein würde als dieser Schlag. Sie wußten, daß der Mann, der diesen Brief geschrieben, sterben mußte. Schon der Schrecken darüber, daß sie dieses Schreiben gehört hatten, raubte ihnen die Sprache.
    Doch Petronius lachte fröhlich, als handle es sich um den harmlosesten Scherz.
    „Seid heiter und verscheucht die Furcht! Keiner braucht damit zu prahlen, daß er diesen Brief kennt. Ich will mich dessen nur bei Charon rühmen, während ich mit ihm über den Strom fahre.“
    Er gab dem griechischen Arzt einen Wink und hielt ihm den Arm hin. Im Nu hatte der geschickte Grieche an der Beugung des Armes die Ader geöffnet. Blut sprudelte über das Kissen und übergoß Eunike, die, Petronius’ Haupt stützend, sich über ihn beugte mit den Worten:
    „Glaubst du, ich verlasse dich? Ich würde dir folgen, und wenn mir die Götter Unsterblichkeit und der Cäsar die Weltherrschaft verheißen hätten.“
    Petronius lächelte, erhob sich ein wenig und preßte seine Lippen auf die ihrigen.
    Sie hielt den rosigen Arm dem Griechen hin. Nach einer Weile verlor sich ihr Blut in dem seinen.
    Petronius winkte den Musikanten, und abermals erklangen die Zithern und die Stimmen. Man hörte das Preislied auf den Tyrannenmörder Harmodios und darauf das Lied Anakreons – das Lied, in dem der Sänger klagt, einst Aphrodites Knaben unter einem Baume halb erfroren und weinend gefunden zu haben. Er habe ihn aufgenommen, erwärmt, ihm die Flügel getrocknet, wofür das undankbare Kind sein Herz mit einem Pfeile durchbohrt habe. Seitdem sei der Friede vom Dichter geflohen.
    Petronius und Eunike lauschten, lächelnd und erblassend aneinandergelehnt, schön wie zwei Gottheiten. Als das Lied zu Ende war, befahl Petronius, mehr Speisen und Getränke aufzutragen; dann plauderte er mit den näher sitzenden Gästen über unbedeutende, doch heitere Sachen, wie man es bei Gastmählern zu tun pflegt. Schließlich rief er dem Griechen zu, er solle für einen Augenblick den Arm verbinden, weil Schlaffheit ihn erfasse. Er wolle sich Hypnos ergeben, bevor Thanatos ihn für immer zur Ruhe bitte.
    Wirklich schlummerte er ein. Als er wieder erwachte, sah er Eunikes Haupt, einer Blume gleich, auf seinem Schoße ruhen. Er legte ihren Kopf auf das Kissen, um ihn noch einmal zu betrachten, worauf ihm die Binde abgenommen wurde.
    Abermals erklang das Lied Anakreons; die Zithern begleiteten so sanft, daß kein Wort verlorenging. Petronius wurde blasser und blasser; als der letzte Ton verklungen war, wandte er sich zum letztenmal an seine Gäste und sagte:
    „Bekennt, Freunde: mit uns geht unter …“
    Er konnte seine Worte nicht vollenden. Seine Arme umschlangen Eunike, sein Haupt sank aufs Kissen nieder – er starb.
    Die Gäste
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