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Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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begrüßte:
    ,Viele habe ich schon gesehen, deinesgleichen aber nie.‘
    Wenn die Seele mehr ist, als Pyrrhon meint, dann wird die meinige, auf ihrem Wege über den Ozean, zu Dir und Lygia eilen und Euer Haus in Gestalt eines Schmetterlings besuchen oder, nach dem Glauben der Ägypter, als Sperber. Anders kann ich nicht mehr kommen.
    Laßt Euch inzwischen durch Sizilien die Gärten der Hesperiden ersetzen; mögen die Gottheiten der Felder, Wälder und Brunnen Blumen auf Eure Pfade streuen und weiße Tauben ihre Nester auf jedem Akanthus der Säulen Eures Hauses bauen!“

LXXIV
    Petronius hatte sich nicht geirrt. Zwei Tage später sandte Nerva, der ihm stets freundlich gesinnt geblieben war, seinen Freigelassenen nach Cumae mit Nachricht von den Vorgängen am Hofe.
    Petronius’ Tod war beschlossene Sache. Am Morgen des folgenden Tages sollte ihm ein Zenturio den Befehl überbringen, in Cumae zu bleiben und auf weitere Befehle zu warten; der zweite Bote hatte einige Tage darauf das Todesurteil zu bringen.
    Petronius vernahm die Botschaft mit stoischer Ruhe.
    „Bring Nerva, deinem Herrn, eine meiner Vasen!“ sagte er. „Sprich ihm meinen wärmsten Dank aus; denn nun kann ich dem Urteil zuvorkommen.“
    Und er lachte zufrieden wie einer, dem ein guter Einfall gekommen ist und der sich im voraus an dessen Gelingen ergötzt.
    Am Nachmittag dieses Tages liefen seine Sklaven herum und luden die gerade in Cumae weilenden Augustianer sowie alle Damen zu einem prunkvollen Gastmahl in die Villa des Arbiters.
    Petronius brachte den Rest des Tages mit Schreiben und Baden zu. Dann ließ er sein Gewand von den Vestiplicae ordnen. Strahlend und stattlich wie ein Gott begab er sich ins Triclinium, um die Vorbereitungen kritischen Blickes zu mustern, und dann in den Garten, wo noch Knaben und Griechenmädchen von den Inseln für den Abend Rosen zu Kränzen flochten.
    Auf seinem Antlitz war nicht die geringste Sorge zu finden. Die Sklaven wußten nur, daß das Fest etwas Außergewöhnliches sein sollte, denn er hatte befohlen, beträchtliche Belohnungen denen zu verabreichen, die ihn zufriedenstellen würden, den anderen aber, mit denen er nicht zufrieden war oder die früher einmal Strafe verdient hatten, nur einige gelinde Streiche zu geben. Die Zitherspieler und die Sänger hatte er schon vorher freigebig bezahlt. Endlich setzte er sich unter eine Buche, zwischen deren Blättern hindurch die Sonnenstrahlen die Erde mit hellen Punkten bemalten, und rief nach Eunike.
    Sie kam, weiß gekleidet, einen Myrtenzweig im Haar, schön wie eine der Grazien. Er hieß sie neben sich hinsetzen, legte die Hand sanft an ihre Schläfe und betrachtete sie mit jener Bewunderung, die ein Kenner dem Werk eines Meisters der Kunst widmet.
    „Eunike“, fragte er, „weißt du, daß du seit langem keine Sklavin mehr bist?“
    Sie blickte ihn ruhig mit den tiefblauen Augen an und schüttelte verneinend das Haupt.
    „Ich bin auf immer dein“, sagte sie.
    „Vielleicht weißt du auch nicht“, fuhr Petronius fort, „daß diese Villa, diese Sklaven, die hier Kränze winden, und alles, was die Villa enthält, samt Feldern und Herden, daß alles dies von nun an dir gehört?“
    Eunike entzog sich ihm plötzlich und fragte erschrocken:
    „Weshalb sagst du dies?“
    Dann blickte sie den Geliebten forschend an und erblaßte. Lächelnd sprach er nur das eine Wort:
    „Ja!“
    Sie schwiegen. Ein leichter Windhauch fuhr durch die Blätter. Eunike saß vor Petronius wie eine Statue aus weißem Marmor.
    „Eunike“, sprach er zu ihr, „ich wünsche, ruhig zu sterben.“
    Mit herzzerreißendem Lächeln flüsterte sie:
    „Ich höre.“
    Sobald der Abend kam, erschienen die Gäste in großen Scharen. Sie hatten früher schon an Festen des Arbiters teilgenommen und wußten, daß im Vergleiche damit selbst Neros Gelage langweilig und barbarisch zu nennen waren. Keiner ahnte, daß dies das letzte Symposion war. Zwar wußten die meisten, daß die Wolken von Cäsars Zorn über dem Schöngeist hingen; allein das war so oft der Fall gewesen, und Petronius hatte sie so oft durch einen geschickten Schachzug oder ein einziges kühnes Wort zerstreut, daß keiner an eine ernstliche Gefahr glaubte. Sein heiteres Antlitz mit dem gewohnten sorglosen Lächeln bestärkte jeden in dieser Meinung. Die schöne Eunike, für die jedes seiner Worte ein Schicksalsspruch war, trug vollkommene Gemütsruhe zur Schau. Am Eingang des Tricliniums setzten Knaben, deren Haare goldene Netze
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