Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Quo Vadis

Quo Vadis

Titel: Quo Vadis
Autoren: Henryk Sienkiewicz
Vom Netzwerk:
ach, er ist sicher eine Erfindung der Dichter, während mir glaubwürdige Personen erzählten, sie hätten Christus mit eigenen Augen gesehen. Darin stimme ich Dir bei, daß er der würdigste Gott ist.
    Ich erinnere mich der Frage, die mir Paulus von Tarsus vorlegte, und glaube, daß, wenn der Feuerbart die christliche Lehre befolgen möchte, ich Zeit hätte, Euch auf Sizilien zu besuchen. Dann könnten wir im Schatten der Bäume, in der Nähe der Brunnen alle Götter besprechen und über alle Wahrheiten diskutieren, die von den griechischen Philosophen aufgestellt wurden. So aber muß ich Dir kurz antworten.
    Ich kümmere mich nur um zwei Philosophen: Pyrrhon und Anakreon. Alle übrigen, einschließlich der griechischen und römischen Stoiker, würde ich Dir abtreten. Die Wahrheit, Vinicius, wohnt irgendwo, aber so hoch, daß nicht einmal die Götter von der Spitze des Olymps aus sie sehen können. Dein Berg, carissime, scheint zwar noch höher zu sein, und von diesem Standort aus rufst Du mir zu: ‚Komm und gewinne eine Aussicht, wie du sie noch nicht gehabt hast.‘ Es könnte sein. Aber ich antworte: Ich habe nicht die zur Reise geeigneten Füße. Sobald Du diesen Brief zu Ende gelesen, wirst Du, denke ich, einsehen, daß ich recht habe.
    Nein, glücklicher Gatte der Prinzessin Aurora, Deine Religion ist nichts für mich. Sollte ich die Bithynier lieben, die meine Sänfte tragen, die Ägypter, die meine Bäder heizen, oder den Feuerbart und Tigellinus? Ich schwöre Dir bei den Knien der Grazien, wenn ich es wollte, so könnte ich es nicht. Es gibt in Rom mindestens hunderttausend Personen, die einen ausgewachsenen Rücken, zu starke Knie, zu dünne Beine, starre Augen oder zu große Köpfe haben. Befiehlst Du mir, auch die zu lieben? Wo soll ich die Liebe finden, da sie nicht in meinem Herzen ist? Und wenn Dein Gott will, daß ich alle liebe, warum gab er ihnen nicht in seiner Allmacht etwa die Gestalt von Niobes Kindern, die Du auf dem Palatin gesehen? Wer das Schöne liebt, kann aus ebendiesem Grunde das Mißgestaltete nicht lieben. Glaubt man auch nicht an unsere Götter, so ist es doch möglich, sie zu lieben, wie dies Phidias, Praxiteles, Miron, Skopas und Lysias taten.
    Wollte ich auch Deiner Führung folgen, ich könnte nicht. Da ich aber auch nicht will, so ist meine Unfähigkeit dazu doppelt. Du glaubst wie Paulus von Tarsus, daß Du jenseits des Styx Deinen Christus in gewissen Gefilden des Elysiums sehen werdest. Er soll Dir dann selber sagen, ob er mich aufnehmen möchte mit meinen Edelsteinen, meiner myrrhenischen Vase, meinen von Sosius veröffentlichten Büchern und meiner goldhaarigen Eunike. Der Gedanke erscheint mir zum Lachen, denn Paulus von Tarsus sagte mir, man müsse um Christi willen Rosengewinde, Feste und alle Üppigkeiten aufgeben. Allerdings versprach er mir dafür ein anderes Glück, aber ich erwiderte ihm, daß ich zu alt sei für eine neue Art, daß Rosen mich immer entzückt hätten, Veilchenduft mir lieber sei als die üble Ausdünstung meines Nächsten aus der Subura. Dies sind Gründe, die Dir beweisen, daß Dein Glück nichts für mich ist. Außer diesen Gründen gibt es aber noch einen, den ich mir bis zuletzt vorbehalten habe: Thanatos ruft mich. Für Dich ist das Licht des Tages erst angebrochen, meine Sonne aber hat sich geneigt, und die Dämmerung umfängt mich schon. Mit anderen Worten: Ich muß sterben, carissime!
    Es lohnt nicht der Mühe, lange davon zu reden. Es mußte so kommen. Du, der Du den Feuerbart kennst, wirst die Lage leicht verstehen, Tigellinus hat gesiegt, richtiger gesagt, meine Siege sind zu Ende gegangen. Ich habe nach meinem Wunsch gelebt und will auch sterben, wie es mir gefällt. Nimm das Gesagte nicht zu schwer. Kein Gott hat mir Unsterblichkeit versprochen, deshalb wird mir der Tod keine Überraschung sein. Übrigens bist Du im Irrtum, mein Vinicius, mit Deiner Behauptung, daß nur Dein Gott die Menschen ruhig sterben lehre. Nein! Unsere Welt! verstand, schon ehe Du geboren warst, daß, wenn der Lebensbecher bis auf den letzten Tropfen geleert ist, die Zeit gekommen sei zu gehen – und sie versteht dies auch jetzt noch und in aller Ruhe zu tun. Platon erklärt, die Tugend sei Musik und das Leben des Weisen Harmonie. Wenn das wahr ist, will ich sterben, wie ich gelebt habe – harmonisch und tugendhaft.
    Ich würde gern von Deiner götterähnlichen Gattin mich mit denselben Worten verabschieden, mit denen ich sie einmal bei Aulus
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher