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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
Autoren: Martin Calsow
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Arena in die Hand gedrückt. Er wartete, bis der Rotgesichtige auf seiner Höhe war, dann grüßte er. Aber der Mann erkannte ihn nicht. So viele Handwerker – da merkt man sich nicht alle Gesichter, dachte Schlickenrieder und stieg verärgert in seinen Wagen.
    Im Radio hörte er, dass weitere schwere Schneefälle angekündigt wurden. Er brütete wütend vor sich hin. Stangassinger, der Bürgermeister, der Großsprecher, das Gescheidhaferl. Was wusste der schon von den Alten. Ohne die wären sie doch allesamt kleine Lichter. Seine Hände krampften sich um das Lenkrad, sodass die Knöchel weiß hervortraten. Und dann auch noch der verdammte Schreiner Birmoser – ausgerechnet jetzt.
    Schlickenrieder erreichte sein Haus. In der Auffahrt wollte seine Frau Elli gerade mit dem zweiten Wagen losfahren. Auf dem Beifahrersitz saß seine Tochter und schaute ihn nicht an. Elli stieg aus und fragte schreiend, warum er die Tochter einfach ausgesetzt habe. Sie müsse noch einmal zum Arzt und untersucht werden.
    Er machte eine wegwerfende Handbewegung, ging ins Haus, griff zum iPhone, tippte eine Nummer ein, als er den Wagen seiner Frau nicht mehr sah. Wenig später schlich seine Nachbarin durch das Gartentor. Er zog sie stumm und mit Gewalt ins Haus und nahm sie hart auf dem Mittelblock der Küche.
    Nachdem sie fertig waren, schaute sie ihn kurz an und sagte: »Du hast gewonnen. Sie haben für dein Projekt gestimmt.«
    Er wischte sich mit einem Küchentuch, das auf einem Stapel neben dem Herd lag, den Schwanz ab. Der Tag war vorbei.

Kapitel 3
    München, Montag, 18.   12., 10.05   Uhr
    Arzu war Türkin, schwanger und Münchens größte Klugscheißerin. Keine gute Mischung. Klar, dass mir Pollinger ausgerechnet die zuteilt, dachte Quercher. Arzu hatte sich auf das Metallbänkchen im Foyer gesetzt und auf ihn gewartet. Ihre langen dicken Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden, unter ihrem verblassten grünen Parka wölbte sich der Bauch. Ihre Füße steckten in zu großen Boots. Sie war auf dem besten Weg, zu einer türkischen Mama zu mutieren, fand Quercher. Ausgerechnet Arzu, das heiße Ding. Das auf den Festen und in den Klubs, in denen auch Quercher verkehrte, wild tanzte und den typischen Münchner Strizzis in den weißen T-Shirts mit V-Ausschnitt den Kopf verdrehte. Das Männer liebte, aber auch die eigene Familie und sich ihr zuliebe von einem Anatolier ein Baby andrehen ließ. Einem Anatolier, der vor einem Monat zu Arzu nach München kommen durfte und zwei Tage später von einer Tram überfahren wurde. Ihr Kind war Waise, noch ehe es die kalte Münchner Luft atmen konnte.
    Er begrüßte sie auf Türkisch.
    Sie nickte und brummelte: »Kaum wird man Mutter, muss man Babysitter für dich spielen.«
    Arzu jammerte gern. Obwohl Quercher sie mochte, konnte er das heute nicht gebrauchen. Er sah sie genervt an. »Geh, fahr nach Hause, zur Gymnastik oder sonst wohin. Ich mache das alleine.«
    Sie stemmte sich hoch, kam ihm auffallend nah und verzog das Gesicht. Er roch seltsam. »Hast du nicht geduscht?«
    Er neigte sich ihr noch näher zu. »Sie war jung, schön, fest, und alles war da, wo es hingehörte.« Er blickte auf ihren Bauch und ihre Brüste.
    Arzu lächelte. »Und wie teuer?«
    »Ich muss nichts zahlen.«
    »Bullenrabatt?«
    »Nee, die finden mich noch geil.«
    »Glaubst du?«
    »Weiß ich.«
    »Ja, schon klar. Komm, Sugardaddy. Wir holen jetzt die Tante ab.«
    Die Stadt nannte sich ›Weltstadt mit Herz‹, ein Paradox wie ›deutsche Comedy‹, fand Quercher. Nach den Jahren in Westdeutschland kotzte ihn die Stadt nur noch an. Sie war perfekt und wie eine Puppenstube mit zu vielen Männern in roten Cordhosen und Frauen mit modischem Trachtenjankerl. Hier trieben die Menschen Sport, indem sie verbissen die Isar hoch und runter liefen. Sie rauchten nie, tranken Caffè Latte und fühlten sich wichtig und reich. Letzteres war meist der Fall, Ersteres nie.
    Querchers T-Modell schlitterte über die Schneebahnen, die einst Straßen waren. Lumpi saß mit ernstem Gesicht zwischen ihm und Arzu. Quercher hatte vor langer Zeit eine durchgehende Sitzreihe einbauen lassen, damit der Hund vorne neben ihm schlafen konnte.
    Huldvoll hatte Lumpi Arzu, die sie auffallend ignorierte, Platz gelassen. Dennoch drückte sie ihren warmen Körper gegen Arzus dicken Bauch, die das still genoss, aber niemals zugegeben hätte. Die gelben Räumfahrzeuge, obwohl in Heeresstärke angetreten, kamen mit dem Räumen nicht mehr nach. So
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