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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
Autoren: Martin Calsow
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verhindern können. Und er freute sich auch, wenn Quercher mit seinem Hund in den Laden kam. Er war sich nie zu schade, Teller zu waschen, einzudecken oder zu zapfen. Nur bedienen war nicht seine Stärke. Da konnte er schnell ungeduldig werden. Meist blieb er auch nur ein paar Stunden. Aber heute hatte er den ganzen Abend und die Nacht hier herumgehangen, kein Wort gesagt und dann geschlafen. Faruk wusste, warum. Quercher hatte wieder einmal den Zweitschlüssel seiner Wohnung weggegeben.
    »Wer ist es jetzt?«, fragte Faruk leise.
    Quercher sah ihn müde an, schloss die Augen und murmelte was von »… die Nele …« oder »Na ja, die halt … Du weißt schon, die aus dem …«
    Quercher wollte nicht alt werden. Seit der Scheidung ließ er es krachen. Ging in Klubs, für die er zu alt war. Zog sich Hosen und Hemden an, für die er zu alt war. Und zeigte ein Sexualverhalten, für das er zu alt war. Fand Faruk.
    »Wie alt?«
    »Die …«, Max räusperte sich. »Die … also die … Nele?«
    »Ja, die Nele!«
    »Na ja, wie alt wird sie sein? So um die fünfundzwanzig oder so.«
    Faruk schüttelte den Kopf. »Der hast du den Schlüssel zu deiner Wohnung gegeben und die schläft da jetzt?«
    »Ja, sie hat sich wohl mehr versprochen …«
    Faruk öffnete die Tür zum Hinterhof. Kälte strömte herein.
    Quercher verspürte ein Frösteln.
    »Geh, und schmeiß sie raus. ›Sag ihr: Du bist schön und jung und klug. Und du findest was Besseres.‹«
    Quercher nickte, nahm sich eine Kardamomkapsel, steckte sie in den Mund, schnipste mit dem Finger und ging mit dem Hund hinaus in die Winternacht. Der Syrer sah den beiden kopfschüttelnd hinterher. Nie würde er die Europäer verstehen können, die diese an Scheiße schnüffelnden Tiere so nah an sich heranließen.
    Kaum hatte Faruk die Tür geschlossen, rutschte Quercher hinter den Mülltonnen aus, fiel nach hinten und schlug mit dem Kopf gegen einen Einkaufswagen, den jemand hier abgestellt hatte. Der Schmerz durchzuckte sein Gehirn. Zorn brannte in ihm auf. Der Hund sah ihn mit schief gelegtem Kopf interessiert an, streckte sich, machte aber keine Anstalten, sich weiter hinaus in den Schnee zu begeben. Quercher richtete sich mühsam wieder auf, trat gegen den Wagen, rutschte erneut und konnte sich nur knapp vor dem Hinfallen retten. Der Hund stand immer noch unter dem Vordach.
    In einer Woche war Quercher auf der Insel.
    Sein Mercedes, ein T-Modell, war komplett eingeschneit. Als er das Auto vom Schnee befreit und die Fahrertür geöffnet hatte, war der Hund, eine Bayerische Gebirgsschweißhündin, die widersinnigerweise auf den Namen ›Lumpi‹ hörte, sofort mit spitzen Pfoten auf die Rückbank gesprungen und hatte sich dort geschüttelt, ehe sie sich auf einer alten Decke einrollte. Lumpis Name war nicht einfallsreich. Aber immer noch besser als ›Hund‹. Das war Querchers erster Vorschlag gewesen, als er das Tier von seiner Mutter geschenkt bekommen hatte.
    Es dauerte lange, bis er aus der Parkbucht herauskam, schlitternd und mit durchdrehenden Reifen.
    Quercher hasste Kälte. Das müde Gebläse seines immerhin schon dreißig Jahre alten Benz’ blies lediglich weiter kalte Luft in das Innere des Wagens.
    Seine Wohnung lag an einem Friedhof, nur wenige Straßen vom Restaurant entfernt. Er teilte sie sich mit einem schwulen Barbesitzer, der den Winter über im thailändischen Phuket lebte. Als Quercher die Treppen zum dritten Stock emporstieg, sehnte er sich nach jeder Form von Wärme. Er schloss auf. Der Hund ging schnurstracks auf das Bett zu, schnüffelte daran und tippelte dann mit hängendem Kopf zu seinem eigenen Schlafplatz, einem großen Weidenkorb. Vorsichtig stieg er hinein, drehte sich zwei Mal um die eigene Achse und rollte sich erneut ein.
    Sie lag in einem überhitzten Zimmer auf dem Rücken und schien ihn gehört zu haben. Die Musik lief in einer Dauerschleife. Es war Angela McCluskey. Echte Bettmusik. Ihr angewinkelter Arm drehte sich nach oben. Ohne den Kopf zu bewegen, winkte sie ihn zu sich. Und dann war da die Wärme des Bettes, ihres Körpers. Und er schloss die Augen.
    »Du findest was Besseres«, flüsterte er noch.
    Draußen tanzten die Flocken vor dem Fenster, beschienen von den Laternen und dem ersten Morgenlicht. In einer Woche war Weihnachten, dachte Quercher, als er mit einem geöffneten Auge das auf dem Parkett tanzende Handy beobachtete. Die Vibration des Telefons ließ es wie einen verstörten Roboter über das Holz brummen.
    Nele
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