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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
Autoren: Martin Calsow
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hatte sich an seinen Rücken geklammert wie ein Koalabär. Er spürte ihre Jugend – und er spürte sein Alter. Seine Figur war immer noch sportlich. Sooft er konnte, setzte er sich an sein Rudergerät. Aber der Alkohol, der fehlende Schlaf und die Panikattacken ließen aus seinem Gesicht langsam eine einzige Furche werden. Die blonden dünnen Haare waren an viel zu vielen Stellen schon weiß durchsetzt.
    Eine der unzähligen Frauen, die – wie Nele jetzt – hinter ihm gelegen hatte, erwischte ihn eines Morgens dabei, wie er die Fleischrolle unter seinem Nabel gegriffen und mit trübem Gesichtsausdruck in den Spiegel geblickt hatte. »Kommt vom Saufen, geht nicht weg, kannst du aber wegsaugen lassen.« Er hatte sie wortlos rausgeworfen und sie hatte daraufhin unten im Hof den Seitenspiegel seines Autos weggetreten.
    »Quercher.«
    »Büro Dr.   Pollinger. Der Chef will Sie sprechen. Es gibt Weißwürste.«
    Quercher musste würgen. »Kann das nicht warten?«, antwortete er genervt.
    »Nein.«
    »Ich hatte eine schlimme Nacht. Und im Übrigen habe ich heute einen freien Tag …«
    »Herr Quercher, welchen Teil von ›Nein‹ verstehen Sie nicht?«
    »Ich komme.«
    Er duschte, zog sich an, machte der jungen Frau einen Kaffee und legte etwas von Sade auf.
    »Wer ist das denn?«, fragte sie, ohne die Augen zu öffnen.
    Er war zu alt, dachte er. Sekunden später hörte er ihr Schnarchen. Er schrieb auf einen Zettel, dass er den Schlüssel gerne wiederhätte, rief leise nach Lumpi und verschwand.
    Früher hätte jetzt Marille an der Tür gestanden und ihn verabschiedet. Doch mittlerweile lebte seine Exfrau mit seinem Exfreund Picker in seinem Exhaus im Stadtteil Solln. ›Was solln das?‹, der müde Scherz seiner alten LKA-Kollegen aus Düsseldorf, fiel ihm jetzt ein und ließ seine Gedanken noch düsterer werden. Er hatte sie gehasst, die geduckten Doppelhäuser, die brav in Hanf eingewickelten Rhododendren, die Klingelschilder aus Salzteig. Hier hatte er kaum Luft bekommen. »Ein einziger Swingerklub ist das hier«, hatte er damals in den Jahren des scheinbaren Glücks besoffen auf einem Grillfest gerufen. Danach wurden sie nie wieder eingeladen.
    Das Handy klingelte. Schon wieder Pollinger. LKA-Direktor und der einzige Mensch, den Quercher als Chef akzeptierte, auch wenn Picker offiziell sein Vorgesetzter war. Pollinger war ein guter Mann. Hatte nur einen Fehler, er mochte Querchers Exfrau, die früher im LKA als Psychologin und Profilerin gearbeitet hatte. Hatte Quercher quasi mit ihr verkuppelt. Als sie sich wegen der Sache mit Picker trennten, konnte der Alte das nicht verstehen. Er war eben sentimental, dachte Quercher. Dann hatte Pollinger ihn nach Düsseldorf vermittelt. Und ihn wieder zurückgeholt, als die Zeiten nach Querchers Alleingang in der Junktim-Affäre auch dort schwierig wurden. Jetzt arbeitete Quercher als eine Art ›Ermittler zur besonderen Verfügung‹. So was ging noch beim LKA, Abteilung Staatsschutz. Quercher sprach vier Sprachen. Kannte sich bei den Sandnegern und Turbanträgern, wie sie hier sagten, gut aus. Hatte ihr Vertrauen. So setzte man ihn bei der Observierung arabischer Restaurants ein, nicht ahnend, dass ihm eines davon zum Teil gehörte.
    Quercher griff nach seinem Handy. »Herr Dr.   Pollinger, was kann ich für Sie tun?«
    »Red net, wo bleibst du? Komm her, iss mit mir Weißwürtschtl.«
    »Ich bin unterwegs.«
    Pollinger mochte Bayern und das bayerische Essen. Quercher hasste beides. Schlitternd fuhr er auf dem Schneematsch in den Westen der Stadt, wo das schäbige Gebäude des Landeskriminalamtes lag, nicht weit entfernt vom Circus Krone . Quercher parkte Pickers Familienkutsche ein, deckte den Hund mit einer alten Decke zu und ließ ihn auf der Rückbank schlafen. Geduckt ging er durch die Windböen, die hier um die Mauern fegten. Er legte seine Codekarte auf das Lesegerät, ging durch die Drehtür und schüttelte sich in der Halle den Schnee von der Jacke, direkt vor dem fetten, ein Schnitzel in sich hineinschlingenden Pförtner.
    Dieser verzog das Gesicht. »Hier ist gerade eben gesäubert worden.«
    Quercher sah den Dicken hinter dem Panzerglas müde an. »Dann war das wohl das Säuberungskommando.«
    Der Mann verstand nicht und schüttelte den Kopf.
    Quercher nahm den Fahrstuhl. Im zweiten Stock stieg Picker mit einer eifrigen Kollegin dazu. Die bumst er auch, dachte Quercher.
    Picker wollte Chef spielen. »Solltest du nicht heute Nacht das Objekt in der
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