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Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht

Titel: Quercher 01 - Quercher und die Thomasnacht
Autoren: Martin Calsow
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braunes Fell und roch daran. Dieser vertraute Duft gab ihm absurderweise Kraft. Noch entwickelten ihre beiden Körper genug Wärme. Noch glühte das Feuer, das Hannah entzündet hatte. Noch wollte er leben. Aber bald wäre es damit vorbei. Aus der Öffnung drang die beißende Kälte der Nacht hinein in das Kellerloch. Die Hütte, die einst über dem Keller gestanden hatte, gab es nicht mehr. Quercher konnte durch die Luke ein Stück Himmel sehen, der jetzt wolkenlos war. Wenn er sich nach vorn beugte, sah er die Sterne, verfolgte den Lauf des Mondes, genoss, wie dieser silbriges Licht in sein Gefängnis hineingoss.
    Lumpi knurrte. Quercher hielt inne. Er hörte es nur. Aber es war sehr nah. Jemand oder etwas schnupperte, zog schnell die Luft ein und wieder aus. Quercher reckte, so gut es seine Lage zuließ, den Kopf nach oben. Ein kleiner Fuchs mit langer Nase und buschigem Fell stand in der Kelleröffnung und sah hinab zu ihm. Lumpi knurrte lauter und Quercher musste lachen. Der Fuchs war sich seiner sicheren Position wohl bewusst, machte keine Anstalten zu verschwinden, und erst als Lumpi laut bellte, trollte er sich auffällig langsam. Es musste die Erschöpfung sein, aber für einen Moment glaubte Quercher, jemand hätte ihm den Fuchs geschickt, um ihn zu erheitern und zu motivieren. Aber dann regierte wieder sein Verstand.
    Quercher hielt sich mit Fragen wach. Er war sich sicher, dass Hannah in diesem Moment den alten Schlickenrieder aufsuchen, ihn töten und dann in die USA abreisen würde. Sie hatte, was sie wollte. Er hatte tatsächlich wenig gegen sie in der Hand. Warum sollte sie sich also noch um ihn kümmern? Damit er einen Immobilienskandal im Tal aufdecken konnte? Was für eine Rolle spielte Ferdi Pollinger? War das eine lange vorbereitete Rache gegen Rieger, den Erzfeind aus BND-Zeiten?
    Langsam wurde ihm der Zusammenhang all der Machenschaften klar. Das Immobilienprojekt sollte auf lange Sicht als eine riesige Geldwaschanlage für Rieger, aber auch für das Trio Brunner, Stangassinger und Schlickenrieder dienen. Es durfte nur nicht herauskommen, dass die Mehrheit der Grundstücke des alten Schlickenrieders von Kürten mit Nazigeld erworben worden waren. Denn dann wären langjährige Ermittlungen über die Herkunft der Gelder für den Kauf dieser Grundstücke die Folge. Rieger hatte das alles gewusst, er hatte die Fäden in der Hand gehalten. Nun war er tot. Und das alles war von einem kiffenden Schreiner mit Vaterkomplex ausgelöst worden. Ein Schreiner, der einen Baum fällt. Ein Schreiner, der als kleiner Fisch in einem Teich mit Hechten keine Chance hatte.
    Und Rieger? Konnte es sein, dass Hannah wirklich nicht auf Rieger geschossen hatte? Die Kugel war aus südlicher Richtung gekommen und hatte den Alten sofort tödlich getroffen. Danach waren weitere Salven auf Quercher abgeschossen worden. Konnte Hannah das mit einer Schmalspurausbildung schaffen? Wer kam noch infrage? Wer wusste sonst von den Verwicklungen? Es blieben nur Schlickenrieder, Stangassinger und Brunner. Sie waren alle Jäger, wussten mit Waffen umzugehen und konnten nicht einverstanden sein, dass Rieger Quercher einen Deal vorschlug. Aber wer profitierte am meisten von der jetzigen Situation? Langsam dämmerte es Quercher. Brunner, der Immobilienmakler, hatte am meisten von den dreien zu verlieren.
    Quercher horchte in die Stille hinein. War da was? Tatsächlich. Dumpf, weit entfernt, aber langsam näherkommend, vernahm er Motorengeräusche. Menschliche Stimmen. Er schrie. Lumpi hob den Kopf, begann zu bellen. Die kalte Luft, die er jetzt einsog, schmerzte in seinen Lungen. Immer lauter schrie er. Dann machte er eine Pause. Jemand rief. Quercher verstand nicht, was gerufen wurde. Aber die Stimme war sehr nah, auch wenn die Echos in der Schlucht das Schätzen von Entfernungen kaum zuließen. Noch einmal rief Quercher, so laut er konnte. Er musste näher an die Kelleröffnung. Aber Hannah hatte ihn fest in die Decken eingerollt. Er fluchte, als er sich bewegen wollte. Sofort verwandelte sich das eben noch dumpfe Pochen in seinem Bein in einen stechenden Schmerz. Wieder schrie er. Lumpi bellte. Vielleicht hatten sie ihn schon gehört? Quercher hielt Lumpi die Schnauze zu und lauschte in die Nacht.
    Aber statt der Rufe ertönte ein anderes Geräusch. Es klang wie ein Zischen, wie ein Zug, der in einen Bahnhof einfuhr und dessen Bremsen immer lauter kreischten. Das Geräusch wurde stärker, der Boden unter ihm und die Wände zitterten.
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