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Puppenrache

Puppenrache

Titel: Puppenrache
Autoren: Manuela Martini
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in null Komma nix fertigmachen. Keine Frage.
    Scheiß Morgenkälte. Er konnte Kälte nicht ausstehen! Und Hunger hatte er auch noch. Irgendwo musste er etwas zu essen und einen heißen Kaffee herkriegen. Dass die Heizung in dieser Scheißkarre nicht funktionierte, hatte er zu spät bemerkt. Das würde er dem alten Sack um die Ohren hauen. Zigarettenanzünder und Zentralverriegelung, aber keine Heizung, Mann! Wütend trat er gegen den Reifen eines geparkten Autos.
    Er kam einfach nicht drüber weg, dass er einen Fehler gemacht hatte. Er hätte diese Tess nicht entkommen lassen dürfen. Sonst hatte sein Plan doch auch immer funktioniert. Gut, jedenfalls meistens…
    Wenn man sich drauf verlassen könnte, dass diese Schlampen ihr Maul hielten, wär doch allen gedient…
    So, gleich acht. Um acht ging ihr Freund aus dem Haus, hatte er gehört. Danach sie. Er rieb sich die kalten Hände und spürte, wie das Adrenalin in seine Adern schoss.
    Drei Jahre lang hatte er es sich in seiner Knastzelle immer wieder vorgestellt, wie er sie jagt, ihr hinterherschleicht, sie vor Angst wahnsinnig macht, dass sie an nichts anderes mehr denken kann als an ihn. In der Nacht soll sie von ihm träumen. Sie soll morgens mit dem Gedanken an ihn aufwachen und abends damit einschlafen.
    Er wartete.
    Acht. Fünf nach acht. Der Kerl hatte verschlafen! Scheiße, damit ging gerade sein ganzer Plan flöten. Und wenn sie beide zusammen aus dem Haus kämen? Und wenn sie beide heute nicht zur Arbeit gehen würden? Vielleicht hatten sie samstags frei? Oder sie hatten sich freigenommen. Oder sie hatten einen ordentlichen Kater – in dieser Bar gestern war zumindest ordentlich gesoffen worden.
    Schließlich beugte er sich zu einem parkenden Auto und versuchte, durchs Fenster die Uhrzeit zu erkennen. Es war ein alter Wagen ohne Digitalanzeige. Viertel nach neun? Er hielt sich seine Armbanduhr ans Ohr, obwohl er wusste, dass sie ging. Dieser spießige Arsch in der Bar hatte ’ne falsche Uhrzeit! Bali-Zeit oder Neuseeland-Zeit oder… jedenfalls nicht die richtige Zeit!
    Wütend riss er sich die Uhr vom Handgelenk, schleuderte sie auf den Boden und trat darauf herum.
    Er hatte seine Chance vertan! Sie war ihm entkommen!
    Als er sich wieder ein bisschen beruhigt hatte, bückte er sich nach der Uhr. Außer ein paar Kratzern war sie intakt. Ha, der Bürotyp hatte wohl in echte Qualität investiert! Er zog die Uhr wieder an.
    Na und, dann würde er eben am Abend vor Supercash warten. »Hi, schön, dich wiederzusehen, Puppe«, würde er sagen und sie angrinsen. Er freute sich schon, dabei ihr Gesicht zu sehen.
    Endlich hatte sie es zum Busbahnhof geschafft. Ihre Schulter tat schon weh von der schweren Reisetasche. Und ihre Finger fühlten sich von der morgendlichen Kälte wie abgestorben an. Sie reihte sich in die Schlange ein. Fünf Leute zählte sie vor sich. Zwei Männer, drei Frauen, wenn keiner von ihnen komplizierte Fragen hatte, dürfte sie bald dran sein. Aber sicher würde sie sich erst wieder im Bus fühlen – zumindest so sicher, wie es für sie überhaupt möglich war. Hier draußen jedenfalls wurde sie ganz unruhig und nervös. Sie war so schutzlos. Jedes Geräusch, jedes Telefonklingeln, jeder Schatten erschreckte sie. Beruhig dich, sagte sie sich. Es ist alles okay.
    Sie stellte die Reisetasche ab und suchte auf der Abfahrtstafel mit der Digitalanzeige nach dem nächsten Bus. Brisbane. Nein auf keinen Fall. Melbourne, Adelaide, Perth, in einer Stunde. Ja, den würde sie nehmen. Sie könnte auch den nach Broome oder den nach Alice Springs und Darwin nehmen. Hauptsache weg. Weit weg. Und Hauptsache gleich.
    In keiner der Städte war sie jemals gewesen. Das, was sie über sie wusste, wusste sie aus der Schule. Perth lag ganz im Westen. In der Nähe gab es viel Weinanbau und dahinter dehnte sich die Wüste aus, wo Bodenschätze abgebaut wurden.
    Und Broome ganz oben im Norden? Züchtete man da nicht Perlen? Und warm war es dort. Sehr, sehr warm. Sie fröstelte noch immer.
    Was war mit Alice Springs? Mitten im Kontinent, in der roten Erde. Am Uluru, dem heiligen Berg der Aborigines…
    Ein neuer Schalter machte auf, die Leute vor ihr verteilten sich und plötzlich war sie schon dran.
    »Wohin?«, fragte die Frau durch die Sprechluke, ohne dabei von ihrer Tastatur aufzusehen. Sie trug eine dreieckige rote Brille.
    Ja, wohin wollte sie eigentlich? Der Bus nach Perth fuhr als erster ab.
    »Nach Perth.«
    Die Angestellte hämmerte auf die Tastatur.
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