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Pulverturm

Pulverturm

Titel: Pulverturm
Autoren: Jakob Maria Soedher
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keinen Kummer. Die paar Tausender, die er ausgegeben hatte, eh wurscht. Schon auf der Ladefläche des Lkw, wo die Versteigerung stattgefunden hatte, war ihm klar geworden, dass er es niemandem gestatten würde, ihm diese schon etwas ältere Braunhaarige wegzuschnappen. Er wollte nicht, dass sie in irgendeinem Türkenpuff verheizt wurde, und die Kleine, die sich an ihre Beine klammerte, hatte es ihm auch angetan.
    Sie hätte doch wissen müssen, dass er mit ihr anderes vorhatte. Er war ja fast schon so weit gewesen, ihr ihren Pass zurückzugegeben. Sie hätte gar nicht auf so dramatische Art und Weise davonlaufen müssen. Er hätte auch mit sich reden lassen, ihr geholfen. Das Anna Belle war zwar eine edle Adresse, aber auch nicht jedermanns Sache.
    Es passte nicht zusammen. Sie hatte anständig gearbeitet, wurde anständig bezahlt und anständig behandelt. Es musste etwas passiert sein, von dem er noch nichts wusste, und Mosbichl traute er alles zu.
    Dass sie auf und davon war, traf ihn in zweierlei Hinsicht. Zum einen litt der Respekt darunter, den er sich über die Jahre hinweg im Milieu hart erarbeitet hatte. Er bekam durchaus mit, dass man über ihn Witze riss, weil eines seiner Pferdchen durchgebrannt war und ihn dabei auch noch kräftig beklaut hatte. Das war schon deshalb nicht in Ordnung, weil er immer fair gewesen war. Gut, manchmal hart, aber immer fair. Der Spott der anderen traf ihn nicht, die würden bald wieder die Klappe halten. Ihm selbst gegenüber traute sich eh keiner, den Mund aufzumachen. Er hatte schließlich einen Ruf. Den hatte er sich zusammen mit dem Respekt erarbeitet. Damals, als er wieder frei war und nicht wusste, wie das Geschäft lief, da war er ungezügelter vorgegangen und hatte einige Male kräftig hingelangt. Auch wenn es niemand vermutete, aber diejenigen, die er malträtiert hatte, taten ihm hinterher ernsthaft leid. Zum Beichten war er dann immer nach Wien gefahren. Es war aber eigentlich gar nicht oft notwendig gewesen, denn alle, die es wissen mussten, kannten die Version seiner Vergangenheit, und das ersparte ihm viel Ärger. Man hatte Angst vor ihm.

    Er quälte sich, ohne zu wissen, dass er sich quälte. Er stellte nur fest, dass sein Dasein vom Gefühl des Rund-um-Zufriedenen weit entfernt war. Wieso war sie nur davongelaufen? Er war doch schließlich wer, das hätte sie doch feststellen müssen. Sie war doch eine intelligente Frau.
    Er hatte das große Haus, die schönen Autos und die Firma, das Anna Belle. Und unansehnlich war er schließlich auch nicht mit seinen sehr gut vierzig Jahren. Er war immer braun gebrannt, hatte schöne Brusthaare, eine durchtrainierte Figur, trug inzwischen ausschließlich dunkle Anzüge und konnte zwischen mehreren Rolex wählen. Seit Kurzem besaß er sogar Visitenkarten. Darauf stand Kaufmann als Berufsbezeichnung. Es passierte häufig, dass er einen der edlen kleinen, cremefarbenen Kartons zur Hand nahm, seinen Namen, die Adresse, Telefonnummer und ganz besonders diese nach rechts geneigten, etwas hervorgehobenen Schriftzeichen, die das Wort Kaufmann bildeten, betrachtete und sich vergegenwärtigte, dass er damit gemeint war. Er hatte es geschafft, war jetzt Kaufmann und katholisch. Und jetzt das.
    Ihn quälte die Frage, weshalb sie davongelaufen war. Und je mehr er sich mit dieser Frage beschäftigte, desto klarer wurde ihm, dass sie niemals ohne äußeren Antrieb von ihm weggegangen wäre. Es musste also jemand dahinterstecken. Jemand, der dafür zur Rechenschaft gezogen werden musste. Schließlich ging es hier um seinen Ruf.
    Im Vorarlberg sollte sie also sein. Das war weit weg. Noch hinter dem Fernpass. Da war Josef Pawlicek, genannt Josi, noch nie gewesen. Er brach den Sonntagsausflug ab und fuhr nach Hause. Dort packte er einige Klamotten, wechselte das Auto, rief im Anna Belle an und gab Bescheid, dass er für einige Tage verreisen würde. Dann fuhr er in Richtung Salzburg davon.

Spätes Glück
    Ottmar Kinker stieg aus dem Auto und dachte zufrieden an diesen Augenblick des Seiltanzes vor einigen Monaten im Café Vogler und machte sich auf seinen gewohnten Weg – Seebrücke, Hafen, Leuchtturm, Uferweg zum Pulverturm und über die Grub wieder retour. Er holte die Tasche mit der Kaffeemaschine heraus und nahm sie mit. Das war zwar umständlich, doch in letzter Zeit wurden hier Autos selbst am helllichten Tag aufgebrochen, und er war stolz auf sich, dieses Ding gekauft zu haben.
    Doch schon hinter der Seebrücke, gegenüber der
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