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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath
Autoren: Keith Ablow
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seinem Gebet inne und schüttelte den Kopf. »Sam ist gestorben, damit ich erkennen konnte, dass Sie sterben müssen. Er hat Gottes Willen erfüllt. Er ist jetzt im Himmel.«
    »Sie wussten, was für ein Mensch seine Mutter war«, ließ McCormick nicht locker. »Tief in Ihrem Herzen wussten Sie genau, was passieren würde. Sie hatte ihn früher schon geschlagen. Sie hat nie aufgehört. Es konnte nur schlimmer werden.«
    Jonah presste die Klinge so fest gegen ihren Hals, dass die Haut aufplatzte.
    McCormick war schwindelig, doch sie wusste, dass sie jetzt nicht aufgeben durfte. »Sie haben den Jungen im Stich gelassen, denn wenn Sie darüber nachgedacht hätten, was ihm bevorsteht, hätte es Sie zwangsläufig daran erinnert, was Ihnen passiert ist. Die Schläge. Sie haben sich eingeredet, dass er sicher sei. Sie haben wahrscheinlich sogar ihn davon überzeugt, dass er sicher sei. Sie haben ihn in die Hölle geschickt, an Ihrer Stelle.«
    »Leben Sie wohl, Whitney.« Er zog die Klinge zwei, drei Zentimeter über ihren Hals. Blut quoll aus der Wunde.
    Sie hätte am liebsten laut aufgeschrien, doch sie wusste, wenn sie es täte, würde er sie auf der Stelle umbringen. »Ich werde heute Abend sterben, Jonah. Warum sollte ich lügen?« Sie nahm all ihren Mut zusammen. »Sie haben den Jungen getötet.«
    Er blinzelte nervös.
    »Ihre Mutter ist die treibende Kraft hinter jedem Mord«, fuhr sie fort. »Sie ist es, die Sie wirklich umbringen wollen. Und deshalb werden Sie niemals erlöst werden. Weil Sie lieber andere umbringen, als der Wahrheit ins Gesicht zu sehen – Ihre Mutter hat Sie zerstört, aber Sie rächen sich an anderen, weil Sie noch immer Angst vor ihr haben. Sie sind ein Feigling.«
    Jonah zog die Klinge einen weiteren Zentimeter über McCormicks Haut. Mehr Blut strömte an ihrem Hals hinab. »Sie haben heute diesen Jungen zerstört.«
    »Nein«, sagte Jonah mit zitternder Stimme. Ihm kamen die Tränen bei dem Gedanken an all die falschen Versprechungen, die er Sam gemacht hatte: Ich kann Gedanken lesen. Du bist ein Superheld. Du hast die Macht.
    McCormick entschied sich, ein letztes Risiko einzugehen, abermals auf ihren Instinkt zu vertrauen in dem Versuch, Jonah mit der Wahrheit zu vernichten, ihn in einen psychotischen Zustand zu zwingen. Ihr fiel sein erster Brief an Clevenger ein. Und sie fing an, die Rolle seiner Mutter zu spielen: »Dein kleiner beschissener Tag im Park!«, keifte sie mit wutverzerrter Stimme. »Hattest du einen netten Geburtstag mit deinen beschissenen Freunden?«
    Er schaute noch gequälter drein.
    Sie ließ nicht locker. »Was denkst du dir denn, wo wir das Geld dafür herbekommen sollen, du kleiner Bastard?«
    Das letzte Wort löste auf Jonahs Gesicht einen Ausdruck von Panik aus.
    »Und jetzt, wo der Schaden angerichtet ist, tut es dir plötzlich Leid«, wütete sie. »Nun, ich werde dir eine Lektion erteilen. Dann tut es dir richtig Leid.«
    Er schmeckte buchstäblich das Blut, das an dem Tag, da seine Mutter ihn mit einer schallenden Ohrfeige zu Boden geschleudert und seine Matchboxautos zermalmt hatte, in seinen Mund gelaufen war. Er drückte mit seiner Zunge gegen seinen Zahn und fühlte, wie er wackelte.
    Er sah McCormick an und sah seine Mutter.
    »Du Bastard!«, keifte sie.
    Er schloss seine Augen. Und er sah, wie seine Mutter ihre Arme ausbreitete und ihn zu sich rief. Er erinnerte sich an das warme Gefühl, das beim Klang ihrer Stimme, wenn sie friedlich war, seinen ganzen Körper durchströmte, spürte jene wohlige Decke der Geborgenheit, in die nur die Liebe einer Mutter ein Kind einhüllen kann. Er erinnerte sich daran, wie er zu ihr gegangen war, wie er seine Arme um sie geschlungen und wie auch sie ihn umarmt hatte.
    Doch dann drängte sich eine andere Erinnerung nach vorne, eine Erinnerung an etwas, das er gefühlt hatte – wie sich der Körper seiner Mutter anspannte, wie sich ihre Sanftheit verlor, ihre Arme sich streckten und ihn wegstießen. Und als er sieanblickte, sah er, dass alle Liebe aus ihrem Gesicht gewichen war und nur blanken Hass zurückgelassen hatte. Er sah, wie ihre Hand ausholte und in Zeitlupe auf seinen Kopf zusauste.
    Dann sah er noch etwas anderes, aus dem Augenwinkel – einen Mann, der die Szene beobachtete. Ein Mann, der weder alt noch jung war. Vielleicht fünfzig. Ein Mann, der ungefähr in seinem eigenen Alter war. Ein Mann, mit dem er seine hohe Stirn und seine leuchtend blauen Augen gemein hatte. Ein Mann, der nur zuschaute, sich weder
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