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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath
Autoren: Keith Ablow
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bringen.
    Anderson meldete sich von seinem Platz am Tresen des Cafes. »Hast du ‘ne Beschreibung?«, fragte er, nachdem Clevenger ihm von Wrens berichtet hatte.
    »Um die eins achtzig groß. Schulterlanges graues Haar. Blaue Augen.«
    »Mein Gott!«, entfuhr es Anderson, und er hetzte auch schon zum Motelzimmer hinüber. Unterwegs bemerkte er, dass Jonahs Wagen verschwunden war. Er trat die Tür ein und sah McCormick auf dem Bett liegen. Sein Blick schweifte durchs Zimmer, um sicherzustellen, dass Jonah wirklich fort war. Er sah im Badezimmer nach. Leer. Dann eilte er zu McCormick. Sie ließ sich nicht wecken. Er fühlte ihr Handgelenk, der Puls war akzeptabel. Dann löste er dieFesseln, legte vorsichtig ihren Kopf in den Nacken, um die Luftwege freizuhalten, und lauschte auf Atemgeräusche. Sie atmete.
    Sein Blick fiel auf die beiden leeren Medikamentenfläschchen auf dem Nachttisch, er holte sein Handy heraus und wählte 911.
    »Bitter Creek Police«, meldete sich eine Frau. »Dieser Anruf wird aufgezeichnet.«
    »Ich brauche einen Krankenwagen. Ambassador Motor Inn. Ich habe hier eine Frau, die betäubt wurde und bewusstlos ist.«
    McCormick hörte den letzten Satz von Andersons Notruf. Sie schlug ihre Augen auf.
    »Zimmer 105«, erklärte Anderson der Frau in der Einsatzzentrale.
    »Jonah Wrens«, flüsterte McCormick, und es kostete sie große Mühe, die Worte herauszubringen.
    Anderson drehte sich zu ihr um und sah, dass sie ihn anschaute. Er seufzte erleichtert. »Wissen wir«, erklärte er. »In null Komma nichts werden einhundert Agenten die gesamte Gegend ...«
    »Er ist auf dem Weg nach Hause«, sagte sie, als würde sie sich an etwas aus einem Traum erinnern.
    »Nach Hause?«
    Plötzlich wusste sie mit absoluter Gewissheit, wohin Wrens unterwegs war. »Finden Sie heraus, wo seine Mutter lebt. Er ist auf dem Weg dorthin, um sie zu töten.«
     
     

5
     
    Great Falls, Montana
    1 Uhr 20
     
    Jonah Wrens saß auf dem grünen Plüschsofa in dem Wohnzimmer, wo er seine Kindheit verbracht hatte, und sah über den schlichten hölzernen Couchtisch hinweg die Frau an, die ihn geboren und aufgezogen hatte. Die Wand hinter ihr war mit Kruzifixen übersät, die sie all die Jahre gesammelt hatte, Geschenke von Familienmitgliedern und Freunden und Eltern der Viertklässler, die sie vierzig Jahre lang in der örtlichen Grundschule unterrichtet hatte.
    Er nahm die Teetasse, die sie ihm hingestellt hatte, wandte sich um und schaute aus dem Fenster, während er einen Schluck trank. Er konnte vage die schemenhaften Umrisse eines Streifenwagens ausmachen, der in der pechschwarzen Nacht draußen vor dem im Ranchstil gebauten Haus wartete – zweifelsohne darauf wartete, dass noch mehr Jäger eintrafen. Er saß in der Falle. Oder zumindest dachten sie das.
    »Ich bin so froh, dass du mich geweckt hast. Du hast mir gefehlt«, sagte seine Mutter mit einer melodiösen Stimme, der ihre neunundsiebzig Jahre nicht anzuhören waren. »Du bist diesmal so lange weg gewesen. Sechs Monate. Sie müssen dich wirklich gebraucht haben.«
    Jonah atmete tief ein, versuchte, genug Luft in seine Lunge zu bekommen. »Du hast mir auch gefehlt«, brachte er mit Mühe heraus.
    Er meinte es ehrlich. Dennoch war es eine Lüge. Und er wusste, es lag daran, dass er zu zwei verschiedenen Frauen sprach.
    Es war seltsam, wie sie mehr als ein Leben gelebt hatte. Hier war seine Mutter, neunundsiebzig, grauhaarig undkränklich und unendlich gütig, eine fromme Frau, die ihren Frieden mit der Welt gemacht hatte, die sie in einem Jahr oder in einem Jahrzehnt oder vielleicht in zweien verlassen würde. Eine Mutter, nach der man sich sehnte. Eine Mutter, zu der man heimkehrte. Und doch wusste er jetzt, dass irgendwo in ihr die Mutter lauerte, die ihn gequält hatte, die Psychopathin, die beständig zwischen ihrer Liebe zu ihm und ihrem Hass auf ihn, zwischen Liebkosungen und Quälereien hin- und hergeschwankt war, so lange, bis die fehlgesteuerten Schaltkreise ihres Gehirns oder Verstands oder ihrer Seele schlichtweg durchgebrannt waren.
    Vielleicht hatte die Zeit sie geheilt. Oder vielleicht war ihre Bekehrung echt. Vielleicht war sie wiedergeboren.
    Das Irrationale war der Zorn, den er jetzt für diese Frau empfand, die Frau, die ihm seinen Tee gebracht hatte. Die Wut ließ sein Herz hämmern und seinen Schädel pochen, weckte in ihm einen Hunger, der ebenso brannte wie sein Hunger nach Intimität auf den Highways. Und obgleich er jetzt den Ursprung des
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