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Psychopath

Psychopath

Titel: Psychopath
Autoren: Keith Ablow
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an Jonahs Leid ergötzte, noch ihn beschützte.
    Er drehte sich um und starrte auf die herabsausende Hand seiner Mutter, dann sah er wieder in ihr Gesicht, denn er wollte wissen, warum – warum sie ihn erst umarmte und dann schlug, warum sie ihn liebte und dann schrie, sie hasse ihn. »Warum?«, fragte er laut. »Warum hast du mir das angetan?«
    McCormick blickte zu Jonah auf. Sie konnte sehen, dass er den Kontakt zur Realität verloren hatte. »Weil ich krank bin, Jonah«, antwortete sie ihm sanft. »Siehst du das denn nicht? Ich kann nichts dagegen tun.«
    Eine Träne lief über seine Wange. War es wirklich so einfach?, fragte er sich. Hatte Clevenger die ganze Zeit über Recht gehabt? Eine schizophrene Mutter. Ein schizophrener Sohn. Gut und Böse, Dunkelheit und Licht, Heiler und Mörder in einem Körper?
    Waren der unwiderstehliche Drang zu töten und sein außergewöhnlicher Drang zu lieben nichts weiter als Gipfel und Täler der Dopamin- und Norepinephrinspiegel in seinem Gehirn?
    »Ich habe mein Bestes getan«, sagte McCormick.
    Jonah weinte jetzt, weil er erkannte, dass er Sam tatsächlich zum Sterben nach Hause geschickt hatte. Er hatte sich eingeredet, dass Hank seinen Sohn seiner sadistischen Frau vorziehen würde. Doch das war eine Illusion.
    Und das war es auch in Jonahs Fall gewesen. Letztendlich war sein Vater fortgegangen und hatte ihn mit der Bestie allein gelassen. Er erinnerte sich in der gleichen Weise daran, wie er wusste, dass er Hände und Füße, Augen und Ohren hatte. Es war ein unleugbarer Teil von ihm, ein Teil, der lange unterdrückt worden war, doch sich jetzt mit Macht Bahn brach.
    Jonah war nicht gerettet worden, ebensowenig wie Sam.
    Er hatte den Jungen in dem Versuch getötet, seine eigene Lebensgeschichte nachzuspielen und sie zu einem glücklichen Ende zu bringen.
    Er schaute McCormick an und sah seine Mutter unter sich liegen. Und nicht nur ihr Gesicht. Auch ihre breiten Schultern, ihre kräftigen Arme. »Ich kann dir nicht vergeben«, sagte er. »Du hättest dir helfen lassen müssen. Du konntest nicht erwarten, dass ich dich heile. Ich war ein Kind.«
    »Ich wollte dir nicht wehtun«, sagte McCormick. »Ich habe dich geliebt.«
    »Ich wollte dich auch lieben«, wimmerte er und kniff seine Augen zusammen. »Aber ...«
    »Bitte, vergib mir.«
    Er schüttelte den Kopf. »Nur Gott kann dir vergeben. Du musst zu Gott gehen.« Er schlug seine Augen auf und sah McCormick an. Und die Maske seiner Mutter glitt von ihrem Gesicht. Er erkannte McCormick als die Person, die sie war. Die Jägerin. Er packte sie an den Haaren, riss ihren Kopf in den Nacken und beugte sich drohend über sie. »Vergibst du mir, Whitney?«, fragte er.
    Sie schaute auf das Messer in Jonahs Hand, dann blickte sie in seine Augen und sah ihr eigenes Spiegelbild. Sie sagte nichts.
    »Sag mir, dass du mir vergibst.«
    Sie dachte an ihren Vater, an die vernichtende, unaussprechliche Trauer, die er empfinden würde, wenn er sie verlor, und eine Flutwelle des Zorns wallte in ihr hoch. Ein Zorn, der so mächtig war wie Jonahs Zorn. »Fahr zur Hölle, du mieses Schwein«, fauchte sie.
    Er schmunzelte, dann stieß er ein abscheuliches, dämonisches Lachen aus, nur um dann abermals zu weinen. »Du bist noch nicht geheilt«, sagte er. Er schüttelte seinen Kopf und legte das Messer auf die Matratze. »Alles zu seiner Zeit. Gott ist geduldig.« Er stand auf, ging zu seiner Aktentasche, holte zwei Medikamentenfläschchen und eine Spritze heraus und kam damit zurück zum Bett.
    McCormick sah die Etiketten auf den Medikamentenfläschchen – flüssiges Thorazin und Versed, beides starke Beruhigungsmittel. In hohen Dosen konnten sie tödlich sein. »Tun Sie es nicht«, sagte sie. »Bitte.«
    Jonah zog beide Flüssigkeiten in die Spritze. Er zielte mit der Nadel auf McCormicks Schenkel, rammte sie tief in ihren Muskel und drückte den Inhalt der Spritze ins Gewebe. »Leb wohl, Whitney«, sagte er. »Ich hoffe, du findest einen Weg in den Himmel. Und ich hoffe, ich treffe dich dort.«
    Hatte er vor, sich umzubringen?, fragte sie sich. Ein Mord mit Selbstmord?
    Ihr Kopf wurde dumpf. Das Atmen wurde schwerer. Sie versuchte zu überlegen, wer wohl ihren Vater anrufen und ihm sagen würde, was passiert war. Und sie hoffte, es würde Clevenger sein.
    »Es ist an der Zeit für mich heimzukehren«, hörte sie Jonah sagen. »Es ist an der Zeit, dass ich aufhöre, vor der Wahrheit davonzulaufen. Danke, dass du mir geholfen hast, das zu
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