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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall
Autoren: Ken Scholes
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beantragt, und jetzt, gerade noch ein Jahr bevor er zum Mann wurde und die Fähigkeit erlangte, sein Schicksal selbst und ohne die Genehmigung des Franziner Waisenhauses zu bestimmen, war er endlich entlassen worden, um mit seinem Vater zu forschen. Alle Kinder der Androfranziner wurden im Franziner Waisenhaus großgezogen, um zumindest offiziell das Keuschheitsgelübde zu wahren. Keines kannte die Mutter, die sie geboren hatte, und nur wenige kannten ihre Väter.
    Nebs Vater hatte ihn mindestens zweimal im Jahr besucht, hatte ihm Geschenke und Bücher von weit entfernten Orten gesandt, während er sich auf Ausgrabungen in den Mahlenden Ödlanden befunden und die Ära vor dem Zeitalter des Lachenden Wahnsinns erforscht hatte. Und einmal, vor langer Zeit, hatte er Neb sogar versprochen, dass er ihn eines Tages mitnehmen würde, so dass er mit eigenen Augen sehen könnte, worum es bei der Liebe von P’Andro Whym wirklich ging – einer Liebe, die so stark war, dass sie einen Mann dazu brachte, seinen eingeborenen Sohn zu opfern.
    Endlich würde sein Vater dieses Versprechen einlösen.
    Und gleich zu Beginn ihrer Reise in die Ödlande hatte Neb dem Mann, den er so gerne stolz machen wollte, die erste Enttäuschung bereitet.
     
    Inzwischen waren fünf Stunden vergangen, und obwohl es unmöglich war, seinen Vater aus dieser Entfernung unter all den anderen Menschen zu erkennen, stand Neb immer wieder auf und blickte auf die Stadt hinab, beobachtete das Tor in der Nähe der Piere am Fluss.
    Er hatte sich gerade erst wieder hingesetzt, als die Härchen auf seinen Armen sich aufrichteten und die Welt einen Augenblick lang gänzlich still wurde, bis auf eine einsame, blecherne Stimme in weiter Ferne. Neb sprang auf die Beine. Dann hörte er ein heftiges Summen, und seine Haut kribbelte von einem plötzlichen Wind, der den Himmel zu verformen schien. Das Summen wurde zu einem Kreischen, und seine Augen wurden weit, als sie sich sowohl mit Licht als auch mit Finsternis füllten, und er stand wie festgenagelt, die Arme weit ausgestreckt, zu seiner ganzen Größe aufgerichtet, den Mund weit offen.
    Der Boden erbebte, und er sah die Stadt taumeln, während das Kreischen immer lauter wurde. Vögel stoben aus der Stadt empor, winzige braune, weiße und schwarze Flecken, die er in der Asche und dem Schutt, den der plötzliche heiße Wind aufwühlte, kaum erkennen konnte.
    Türme fielen in sich zusammen und Dächer stürzten ein. Die Mauern zitterten und gaben nach, brachen auseinander, noch während sie nach innen kippten. Feuer flammten auf, ein Kaleidoskop in allen Regenbogenfarben, erst leckend, dann verschlingend. Neb sah, wie die winzigen Umrisse in Talaren, die eilig umherhasteten, in Flammen aufgingen. Er sah, wie walzende, dunkle Schatten sich durch die wirbelnde Asche bewegten und alles verwüsteten, das es wagte, aufrecht zu stehen. Er sah, wie Matrosen von brennenden Vorschiffen sprangen, noch während die Boote ablegten, in der Hoffnung, die Strömung möge sie retten. Aber die Schiffe und Seemänner brannten gleichermaßen weiter, grün und weiß, während sie unter die Wasseroberfläche sanken. Das Geräusch von berstenden Steinen und kochendem Wasser wogte heran, der Geruch von erhitztem Gestein und verkohltem Fleisch. Und der Schmerz der Verheerung von Windwir fiel auch über seinen eigenen Körper her. Neb schrie, während er spürte, wie hier ein Herz platzte und dort ein Körper sich aufblähte und zerbarst.
    Die Welt brüllte ihn an, Feuer und Blitze jagten über den Himmel, während Windwir schrie und brannte. Die ganze Zeit über hielt eine unsichtbare Macht Neb an Ort und Stelle, und er schrie mit seiner Stadt, die Augen weit geöffnet, den Mund aufgesperrt, die Lunge ein einziges wildes Anpumpen gegen die heiße Luft.
    Ein einzelner Vogel flog aus der schwarzen Wolke heraus, sauste über Nebs Kopf hinweg und in den Wald hinter ihm. Für den Bruchteil eines Augenblicks war er davon überzeugt, er wäre aus Gold gemacht.
    Stunden später, als nichts mehr übrig war bis auf das wütende Feuer, fiel Neb auf die Knie und wimmerte. Die Säule aus Asche und Rauch verfinsterte die Sonne. Der Geruch des Todes verstopfte ihm die Nase. Er schluchzte, bis er keine Tränen mehr hatte, lag zitternd und von Krämpfen geschüttelt da, blinzelte unkontrolliert angesichts der Verwüstung unter ihm.
    Schließlich setzte sich Neb auf und schloss die Augen. Murmelnd sprach er die Gebote aus dem Evangelium des P’Andro Whym, des
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