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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall
Autoren: Ken Scholes
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er in der Schenke mit den anderen speisen, zu viel essen und zu viel trinken und schließlich auf die schlüpfrigen Reimlieder verfallen, für die er entlang der ganzen Küste von Caldusbucht bekannt war. Dafür berühmt zu sein machte Petronus überhaupt nichts aus. Außerhalb seines kleinen Dorfes hatten die meisten keine Vorstellung davon, dass gleich unter dieser Oberfläche weitaus größerer Ruhm verborgen war.
    Petronus der Fischer hatte ein anderes Leben geführt, ehe er zu seinen Netzen und seinem Boot zurückgekehrt war. In der Zeit vor dem Tag, an dem er beschlossen hatte, dieses Leben zu beenden, hatte Petronus eine Lüge gelebt, die sich zeitweise aufrichtiger angefühlt hatte als die Liebe eines Kindes. Dennoch war es eine Lüge gewesen, die an ihm genagt hatte, bis er ihr die Stirn geboten und sie vor dreiunddreißig Jahren zu Grabe getragen hatte.
    Nächste Woche, wie ihm mit einem Lächeln klar wurde. Inzwischen konnte er Monate verbringen, ohne daran zu denken. In jüngeren Jahren war das anders gewesen. Aber jedes Jahr, etwa einen Monat vor dem Jahrestag seines ziemlich plötzlichen und einfallsreichen Abgangs, überfluteten ihn Erinnerungen an Windwir, an die Große Bibliothek der Stadt, an den in Talare gewandeten Orden, und er stellte fest, dass er sich in seine Vergangenheit verstrickt hatte wie eine Möwe in ein Netz.
    Die Sonne tanzte auf dem Wasser, und er sah zu, wie die silbernen Wellen an den großen und kleinen Schiffsrümpfen aufblitzten. Über ihm erstreckte sich ein klarer, blauer Himmel, so weit er sehen konnte, und Meeresvögel schossen durch die Luft und kreischten laut und hungrig, während sie nach den kleinen Fischen tauchten, die es wagten, nahe der Oberfläche zu schwimmen.
    Ein ungewöhnliches Tier – ein Eisvogel – erhaschte Petronus’ Aufmerksamkeit, und sein Blick folgte ihm, als er eintauchte und sich wieder aus dem Wasser schlängelte. Petronus drehte sich mit ihm, beobachtete, wie er seine Flügel krümmte und durch die Luft glitt, von einem Höhenwind abgedrängt, den Petronus weder sehen noch spüren konnte.
    Auch mich hat ein solcher Wind bedrängt, dachte er, und bei diesem Gedanken erschauerte der Vogel jäh in der Luft, als ihn der Wind überwältigte und mit sich riss.
    Dann sah Petronus die Wolke, die sich am nordwestlichen Horizont auftürmte.
    Er brauchte keine Berechnungen anzustellen, um die Entfernung abzuschätzen. Es verging nicht einmal ein Augenblick, bis er genau wusste, was es war und was es bedeutete.
    Windwir.
    Wie betäubt sank er auf die Knie, ohne den Blick auch nur für einen Moment von der Säule aus Rauch abzuwenden, die westwärts und nördlich von Caldusbucht aufstieg. Die Säule war so nahe, dass Petronus die kleinen, feurigen Flecken darin sehen konnte, während der Rauch sich wirbelnd einen Weg gen Himmel bahnte.
    »Oh, meine Kinder«, flüsterte Petronus. Es war ein Zitat aus dem Ersten Evangelium des P’Andro Whym. »Was habt ihr getan, um den Zorn des Himmels zu verdienen?«
    Jin Li Tam
    Jin Li Tam verbiss sich ihr Lachen und ließ zu, dass der dicke Aufseher einen Versuch unternahm, sie durch Vernunft zu überzeugen.
    »Es gehört sich nicht«, sagte Sethbert, »dass die Gefährtin eines Königs im Damensitz reitet.«
    Sie machte sich nicht die Mühe, ihn an den feinen Unterschied zwischen einem Aufseher und einem König zu erinnern. Stattdessen hielt sie an ihrem Standpunkt fest. »Ich habe auch nicht vor, im Damensitz zu reiten, mein Herr.«
    Jin Li Tam hatte den Großteil des Tages damit zugebracht, sich in eine Kutsche aus dem Gefolge des Aufsehers zu zwängen, und sie hatte es satt. Es stand ein ganzes Heer von Pferden bereit – und von Sätteln ebenso -, und sie wollte den Wind auf ihrem Gesicht spüren. Außerdem ließ sich vom Inneren der Kutsche aus nur wenig aufschnappen, und sie wusste, dass sich ihr Vater einen vollständigen Bericht wünschen würde.
    Ein Hauptmann unterbrach sie. Er zog Sethbert zur Seite und flüsterte ihm etwas zu. Dies nahm Jin Li Tam zum Anlass, sich aus dem Staub und auf die Suche nach dem richtigen Pferd zu machen – sie wollte sich endlich ein besseres Bild davon machen, was hier vor sich ging.
    Seit mehr als einer Woche hatte sie schon die Anzeichen beobachtet: Botenvögel, die kamen und gingen, vermummte Höflinge, die zu allen Nachtstunden von hier nach dort galoppierten. Lange Unterredungen unter alten Männern in Uniformen, bald gedämpfte und bald laute Stimmen, dann abermals
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