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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall
Autoren: Ken Scholes
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Erstschlag zu führen, schien plötzlich gerechtfertigt, und Petronus spürte, wie der brennende, scharfe Stich der Trauer, ihm den Magen aufwühlte, als ihm klar wurde, was er getan hatte.
    Dann fiel sein Blick auf Vlad Li Tams Nachricht am Ende der Seite. Die Tinte darauf war noch feucht und verschmiert.
    Sie wollten uns beschützen.
    Nun ergab alles einen Sinn. Die Androfranziner hatten sich immer als die Hirten des Gestern betrachtet, hatten die Neue Welt vor sich selbst und vor einer Vergangenheit geschützt, von der sie fürchteten, dass sie sich wiederholen könnte.
    Sie wollten uns beschützen.
    Jetzt spürte er die Tränen, die ihm den Blick verschleierten, und seine Gedanken machten plötzlich eine Kehrtwende, als die größere Strategie vor seinen Augen Gestalt annahm. Jemand dort draußen hatte Vlad Li Tams Netzwerk von Söhnen und Töchtern, vielleicht auch seinen gut abgeschirmten Mitarbeiterstab infiltriert. Indem sie die Register des goldenen Vogels umschrieben, hatten sie es geschafft, Vlad Li Tam mit der Verheerung von Windwir in Zusammenhang zu bringen. Ein gerissener Spieler würde im Damenkrieg den Gemahl, wenn er bedroht war, an eine Stelle auf dem Spielbrett ziehen, die so weit wie möglich von dieser Bedrohung entfernt war. Vlad Li Tam hatte genau das getan und sein ausgedehntes Netzwerk aufgelöst.
    Aber wer war der andere Spieler, dass Vlad Li Tam sich so gänzlich aus der Neuen Welt entfernte, seinen Reichtum den Androfranzinern überließ und seinen Besitz der neuen Bibliothek spendete – dass er nichts zurückließ bis auf seine Tochter?
    Jemand von außerhalb der Benannten Lande.
    Petronus spürte, wie seine Knie schwach wurden.
    Die Androfranziner hatten es gewusst, zumindest ein Teil von ihnen. Und sie hatten sich so sehr davor gefürchtet, dass sie sich sogar auf die Suche nach dem schrecklichen Lied von Xhum Y’Zir begeben hatten, um die Benannten Lande vor dieser unsichtbaren Bedrohung zu schützen.
    Am Ende hatten ihre besten Absichten für das Licht es beinahe ausgelöscht.
    Vielleicht waren seine Taten gerecht gewesen. Vielleicht eine Gnade. Wie es auch war, Petronus hatte getan, was er getan hatte. Sethbert war tot, und der Orden war mit ihm gestorben. Er dachte an Grymlis und das Dorf der Sümpfler vor so langer Zeit.
    Er steckte die Papiere in den Beutel und legte ihn zu dem kleinen Stapel von Dingen, die er mit nach Caldusbucht nehmen wollte.
    Als er mit dem Packen fertig war, flossen seine Tränen in Strömen.
    Jin Li Tam
    In dem Tumult, der auf Sethberts Hinrichtung folgte, schlüpfte Jin Li Tam aus dem Pavillon. Sie hatte dort etwas Unerwartetes bemerkt – einer der jüngeren Androfranziner hatte einem ihrer vielen Geschwister überraschend ähnlich gesehen, und als sich ihre Blicke getroffen hatten, hatte er sich abgewandt, und dann war er durch einen der drei großen Eingänge verschwunden.
    Sie folgte ihm.
    Sie war nicht wütend über Sethberts Tod. Er wäre ohnehin gestorben, das war ihr bewusst. Und trotz der Jahre, die sie mit ihm verbracht hatte, hatte sie niemals irgendeine Bindung zu diesem Mann aufgebaut. Sie zweifelte ebenso wenig daran, dass er Windwir vernichtet hatte, wie sie fest daran glaubte, dass das Wirken ihres Vaters auf komplexe Weise mit all diesen Ereignissen verbunden war, bis hin zu der Hinrichtung, die, praktisch gesehen, die Rechtmäßigkeit des Androfranzinerordens beendet hatte. Gewiss konnten die wenigen, die übrig waren – die Verbliebenen – versuchen, sich davon wieder zu erholen, aber sie würden es niemals schaffen. Und wozu sollten sie zurückkehren? Sie bezweifelte nicht, dass Petronus alle nötigen Vorkehrungen getroffen hatte, ehe er sich selbst für das Papsttum disqualifizierte, indem er seine Hände mit Sethberts Blut benetzte.
    Sie fragte sich, ob auch das das Werk ihres Vaters war.
    Der Gedanke an ihren Vater brachte sie wieder ins Hier und Jetzt zurück, und sie schob sich durch die zusammenlaufende Menge. Sie erhaschte einen Blick auf den jungen Androfranziner, der weit vor ihr eilte, und beschleunigte ihren Schritt. Aber als sie ihn einholte, war es gar nicht ihr Bruder.
    »Es tut mir leid«, sagte sie, glitt zurück in die Menge und blickte sich um.
    Du willst mit jemandem vom Haus Li Tam sprechen, erkannte sie. Weshalb? In den letzten paar Monaten war ihr Zorn abgeebbt und angeschwollen wie die Gezeiten in der Tambucht in ihrer Heimatstadt. Wann immer der Zorn aus ihr hinauswogte, floss der Kummer in den Sand, der in
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