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Proust 1913

Proust 1913

Titel: Proust 1913
Autoren: Luzius Keller
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zurückschicken?/Zweite, viel wichtigere Frage: Bisher (ich hoffe, dass es nicht so weitergeht) sind meine Korrekturen keine Korrekturen. Es bleibt keine einzige Zeile von zwanzig des ursprünglichen Texts (der aber durch einen anderen ersetzt ist). Ich streiche, korrigiere auf allen freien Stellen, die ich finden kann, klebe Zettelchen oben, unten, rechts, links usw. Wie Sie wissen, habe ich mit Grasset einen Preis vereinbart. Doch erhöht das alles nicht seine Ausgaben? Und sollte ich ihm nicht von mir aus sagen, dass ich ihm eine zusätzliche Summe anbiete? Wie viel? Ihr dankbarer Freund Marcel Proust.« ( XII , 132 ) Tatsächlich bittet Proust Grasset am 19 . April, ihm zusätzliche Kosten zu verrechnen, begründet diese aber nicht mit dem Umfang des Textes, sondern der zusätzlichen Arbeit des Setzers: »Daraus ergibt sich nicht unbedingt eine Veränderung im Umfang (am Ende glaube ich sogar, das Ganze sei etwas abgekürzt), aber ein unentwirrbares Durcheinander, das Ihren Arbeitern zu meinem Bedauern Mühe bereiten wird. So ist es recht und billig, dass Sie mir einen Zusatz verrechnen, dessen Höhe Sie bestimmen und den ich mit Vergnügen bezahle.« ( XII , 145 ) Er fügt hinzu, dass es im zweiten und dritten Teil voraussichtlich bedeutend weniger zu ändern gibt.
    Proust rechnet ab
    Die Enttäuschung darüber, dass der Verlag der
Nouvelle Revue Française
sein Manuskript zurückgewiesen hat, überwindet Proust nicht, ist er doch zutiefst überzeugt, dass ein Werk von der Bedeutung seines Romans gerade dort am besten aufgehoben wäre. Jetzt versucht er, die
Nouvelle Revue Française
als Werbemittel einzusetzen. Die Briefe an Jacques Copeau, einen der Redakteure der Zeitschrift, häufen sich. Proust schlägt vor, Auszüge aus seinem Roman als Vorabdruck zu bringen, am 5 . April schickt er Copeau den am 25 . März in
Le Figaro
unter dem Titel »Vacances de Pâques« erschienenen Vorabdruck, Ende April kopiert er für Copeau eine Passage aus der Fahne, die er gerade korrigiert. Dabei schwingt der Vorwurf mit: Schauen Sie, was Sie alles verpasst haben und weiterhin verpassen. Nach der Kopie einer Passage aus der eben durchgesehenen Druckfahne wird Proust, wenn auch sehr gewunden, etwas deutlicher: »Im Zitieren dieser Passage […] sehe ich auch einen kleinen Vorwurf Ihnen gegenüber. Denn ich mache mir keine große Vorstellung von dem, was ich schreibe, ich versichere Ihnen; und den oben zitierten Zeilen fehlt alles, was in dem, was ich schreibe, am wenigsten unangenehm ist. Doch, wie ich sie kopiere, scheinen sie mir genug Wahrheit und Erfahrung zu enthalten, um mir zu sagen, dass die
N.R.F.
, ohne sich schämen zu müssen, das Werk herausgeben oder Fragmente daraus hätte publizieren können, und dass gerade jene, die der Presse und dem zeitgenössischen Theater vorwerfen, ehrliche Bemühungen nicht zu ermuntern, wenn sie zufälligerweise Gelegenheit haben, solches zu tun, trotz eindringlichster Bitten diese vorbeigehen lassen. Sie werden mir diese Klage verzeihen. Sie wissen ja, dass ich sie ohne Bitterkeit vorbringe und – wenn ich hoffen darf zu glauben, Sie erlauben mir, es zu sagen – in aller Freundschaft.« ( XII , 157 ) Völlig unumwunden äußert sich Proust dann im selben Brief zu einem gewissen Félix Bertaux, der in der letzten Nummer der
Nouvelle Revue Française
schreibt, der Briefwechsel zwischen Emerson und Carlyle sei deren Meisterwerk, ein Fehlurteil, das Proust nicht nur dem Kritiker, sondern auch der von ihm sonst doch so geschätzten Zeitschrift anlastet.
    Die Enttäuschung über Copeau und die
Nouvelle Revue Française
haben Proust einen Monat später aber nicht davon abgehalten, seinen Bekannten zu empfehlen, Copeaus Projekt eines neuen Theaters zu unterstützen, und selbst drei Aktien à tausend Francs der »Société du Théâtre du Vieux Colombier« zu zeichnen. Dabei handelt es sich wohl kaum um Spekulation – im Gegensatz zu anderen von Proust getätigten Transaktionen.
    Proust spekuliert
    Man stellt sich Proust gerne in seinem Krankenbett vor, ausschließlich mit seinem Werk beschäftigt. Es wurde gezeigt, dass er durchaus auch Zeit findet, Briefe zu schreiben, das Sankt-Anna-Portal und die Sainte-Chapelle aufzusuchen, Konzerte zu besuchen oder über das Theatrophon mitzuhören. Er kümmert sich auch immer wieder aktiv um sein Vermögen, obwohl er dessen Verwaltung seinem Cousin Lionel Hauser anvertraut hat. Doch wie seinen Ärzten misstraut er offenbar auch seinem Bankier,
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