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Propaganda

Propaganda

Titel: Propaganda
Autoren: Edward Bernays
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nüchternen Marketingstrategien zu tun zu haben, die ich mir für Produktmarketing ausdenke«, bekennt Shirley Polykoff, legendäre Werberin bei Clairol (»Hat sie ... oder hat sie nicht? Nur ihr Friseur weiß Bescheid !« ). 1 3
    Und selbst der über allem stehende Bernays lässt sich von seinen Kunden die Wahrheit diktieren. Das ist die wesentliche Berufsgefahr aller professionellen Propagandisten – selbst dieses umsichtigen und gewissenhaften Profis, dessen Titel PR-Berater nicht nur einen herausgehobenen Status implizierte, sondern auch eine Art rechtsanwaltliche Objektivität.
    Bernays erfand das respekteinflößende Expertenkomitee, um die Waren seiner Klienten ins Gespräch zu bringen. (Er setzte dieses inzwischen altehrwürdige, aber noch lange nicht ausgediente Instrument schon 1913 ein, als er ein Komitee aus Ärzten zusammenstellte, das sich für eine Broadway-Produktion von Eugene Brieux namens Damaged Goods einsetzte, in dem es ganz unverhohlen um Geschlechtskrankheiten ging.) Ein paar Jahre später setzte er dieses Mittel erneut ein, um das amerikanische Volk für ein »herzhaftes Frühstück« zu begeistern, bestehend aus gebackenen Eiern und Speckstreifen. Während die alte Schule des Verkaufens einfach in einer Unzahl Anzeigen zum Verzehr von Speck aufgerufen hätte (»weil er gut ist«, »weil er uns Kraft gibt« usw.), war Bernays Herangehensweise »wissenschaftlich«:
     
    »Ein Verkäufer der neuen Schule, der die Gruppenstrukturen der Gesellschaft und die Prinzipien der Massenpsychologie versteht, würde sich zuallererst die Frage stellen: ›Wer beeinflusst die Essgewohnheiten der Menschen am meisten ?‹ Die Antwort liegt auf der Hand: ›Die Ärzte‹. Der neue Verkäufer wird also Ärzte dazu anhalten, öffentlich zu verkünden, wie nahrhaft und gesund Speck sei. Weil er die seelische Abhängigkeit vieler Menschen von ihrem Arzt kennt, kann er mit der Gewissheit eines Naturgesetzes vorhersagen, dass sehr viele Menschen dem Rat ihres Arztes folgen werden .«
     
    So weit, so gut. Dennoch steht der eindrucksvolle wissenschaftliche Aufwand von Bernays’ Art, Schinken und Speck zu verkaufen, im Widerspruch zu der ungemütlichen wissenschaftlichen Erkenntnis, dass der Verzehr von Speck sich gerade nicht als gesundheitsförderlich erwiesen hat, mit seinem hohen Anteil an Fett und Cholesterin. Allerdings waren diese Risiken der amerikanischen Ärzteschaft damals, als Bernays für die Beech-Nut Packing Company das herzhafte Frühstück erfand, noch nicht bekannt. Wichtig anzumerken bleibt aber, dass in seinem Universum der Hauptkonsens schon vorher darüber bestimmt hat, was wahr ist. Dabei ist es keineswegs als Vorwurf gegen Bernays zu verstehen, dass er sich die Ärzteschaft zunutze gemacht hat oder dass er die Risiken einer fettreichen Ernährung herunterspielen wollte. In dieser Hinsicht handelte Bernays außergewöhnlich ethisch. Als deutlich wurde, dass die gesundheitlichen Schäden, die das Rauchen verursachte, nicht mehr zu leugnen waren, hörte Bernays nicht nur auf, für die Tabakindustrie zu arbeiten, sondern äußerte sich persönlich gegen Tabak und versuchte, leider vergebens, die Mitglieder der Public Relations Society of America dazu zu bringen, in keiner Weise zur Verbreitung des Rauchens beizutragen. 1 4
    Bernays kann man nur Applaus spenden für seine gewissenhafte Position, die sich in seinem lebenslangen Einsatz für die Etablierung eines ethischen Codes für alle PR-Profis zeigt. Aber hier geht es weniger um Ethik als um Erkenntnis. Wie kann in einer Welt, die unter dem Einfluss von Propaganda-Experten steht, eine kostbare Wahrheit als solche die Menschen erreichen? Wann ist eine Idee mehr als nur die Theorie eines Spinners, eine paranoide Irreführung von links oder rechts? Sondern etwas, das letztlich akzeptiert werden muss und auch akzeptiert wird. Bernays’ Standhaftigkeit gegenüber der Zigarettenindustrie ist beachtlich – vor allem angesichts der von ihm selbst initiierten und gesteuerten Kampagnen ab Mitte der 30er-Jahre für George Hills American Tobacco Company. (Bernays half Hill, eine Menge Lucky Strike zu verkaufen.) Die Risiken des Rauchens waren schon bekannt, bevor die Anti-Tabak-Propaganda in den 50er-Jahren einsetzte Schon 1941 berichtete der unabhängige Reporter George Seldes in seiner eigenen kleinen Zeitschrift In Fact furchtlos über einschlägige medizinische Forschungsergebnisse. Mit der Ausnahme von Reader’s Digest traute sich aber keine einzige
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