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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus
Autoren: Adalbert Stifter
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Saale dargestellt war, legte einen Harnisch an damit er in demselben gemalt werde, obwohl er sonst nie einen getragen hatte. Gertraud, in der kindlichen und kindischen Freude über die Sache und in der Scheu über ihren Ernst und ihre Bedeutung, war bald mutwillig in der Wahl ihrer Gewänder und Schleifen, bald waren sie ihr nicht würdig und einfach genug, bis sie sich zuletzt zu Prokops Freude von ihren Frauen in das Gewand kleiden ließ, das sie angehabt hatte, als sie mit ihm zum zweiten Male in der Kapelle des Rothensteines am Tage ihrer Ankunft war eingesegnet worden. Die Anfertigung der Gemälde geschah in dem großen Gemache des Sixtusbaues, das nahe am Eingangstore schon vom Anbeginne eigens zu dem Zwecke hergerichtet und mit allem Nötigen versehen worden war.
    Endlich prangten sie in dem dunklen Serpentine und sahen als die letzten der Reihe in die Räume des Saales heraus.
    Im zweiten Jahre der Ehe brachte ihm Gertraud das erste Kind, einen Sohn, den der Vater Julianus taufen ließ. Aber sonderbar war es: da er heranwuchs, zeigte sich die blonde Haarfarbe der Mutter auf seinem Haupte verfärbt und war rot. Die Augen hatte er auch von der Mutter, aber blaßblau.
    Nach und nach begann es sich auch zu entfalten, wie das Unglück, dessen wir oben erwähnten, in dieses Haus. einzog.
    Gertraud war bei ihrer Vermählung ein Kind gewesen. Ihre Innerlichkeit war eine Knospe und mußte sich erst entwickeln. Dies geschah. Wie die Rose eben eine Rose wird, so ward sie auch sie selbst. Keine Hand tat etwas hinweg, daß sie voller und herrlicher wurde oder daß sie schwächer und verkümmerter ausfiel. Prokopus liebte sie zu sehr, wie sie war, als daß er an eine Umbildung und Änderung gedacht hätte. So wuchs auch in ihm der Same auf, der schon in seiner Einzelheit lag und den er von seinen Vätern überkommen hatte. Beide bildeten sich zu dem, zu dem sie konnten.
    Gertraud war eine tiefe, stille Natur, der alles klar, unverworren und eben sein mußte, sonst machte es ihr Pein. Sie klärte und ebnete daher alles, daß es blank und rein und übersichtlich dalag - und was sie nicht gewältigen konnte, stellte sie außer ihren Kreis, daß es gar nicht da war - und wer es ihr hereinbrachte, tat ihr feindliche Gewalt an, die sie wie ein Versuch ihrer Vernichtung berührte. Darum war auch in ihrer Wohnung ein Glanz der Reinheit und Ordnung, der mit ebenmäßiger Heiterkeit umfing - ihre Augen waren immer klar und gütig, ihr Haar auf das bestimmteste geordnet und ihr Anzug vollendet und rein. Sie liebte klare, ruhige und abgeschlossene Schönheit sehr und . hatte Widerwillen gegen jedes Gewaltverkündende, Anschreitende, Drohende. Sie konnte sich nicht verstellen, ja selbst um eine wohlgemeinte Überraschung hervorzubringen, konnte sie nicht anders sein, als sie war: So wie sie das Angreifende haßte, griff sie selber auch nie an, sondern setzte der Gewalt nur die stumme Unmöglichkeit entgegen, sie aufzunehmen. Nur in der süßesten, holdesten Stunde der Herzenshingebung und Schmelzung brachte sie es zuwege, daß sie einige leise Töne anschlug von dem, was sie schmerzte, was ihr wehe tat und was sie bei dieser oder jener Gelegenheit dachte - und selbst da war es, als ließe sie nur mit Scham diese wenigen Andeutungen aus ihrem Innern hervorgehen. Ihre Welt war in ihrer Seele gebildet. und so hielt sie dieselbe wie ein Kleinod und hütete sie, daß sie die andern nicht kannten und ahnten - und sie selber kannte sie nicht. Sie wußte nicht, wie ihr Inneres sei, wie sie dasselbe bilden möge und was sie tun solle, um die Umgebung glücklich zu machen - nur das eine wußte sie, daß sie ihren Gatten über alles und mit einer Inbrunst und Überschwenglichkeit liebe, von der sie nicht begreifen konnte, wie sie nur in der Welt möglich sei. Er liebte sie nicht minder. Wie ein Bild der Anbetung - man möchte sagen der Abgötterei - betrachtete er sie und hatte auf der Erde keinen Wunsch, keine Freude, kein Entzücken als sie.
    Und dennoch waren es diese Menschen, die sich wehe taten, die sich gleichsam wie mit schneidenden Messern die Gemüter verwundeten.
    Prokopus war offener, heiterer Natur. Wie Gertraud alles in ihrer Einbildungskraft klar hatte, so hatte er es in seinem Verstande. Er fand für das Herz das Wort. Wo es zur Klärung von Wirrnissen oder Mißverständnissen nicht entgegenkam, da hielt er es für Verstockung und Trotz. Sein Geist war wie der von manchen seiner Vorfahren weitfliegend, auffordernd, angreifend,
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