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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus
Autoren: Adalbert Stifter
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demselben in die Kammer Bernhards, in der noch das schwarze Kleid auf einem Stuhle lag, wie er es ausgezogen hatte, als er krank geworden war, und weinte dort aus der bedrängten Brust siedend heiße Tränen um den verlorenen Lehrer, Freund und Vater.
    Dann ließ er sich ein Pferd satteln und sagte den Dienern, er werde zwei Tage nicht kommen.
    Er ritt über den Berg hinab und schlug den Weg ein, der ihn durch sein gebirgiges Waldrevier in die jenseits gelegenen, ebenen Länder führte. Als er durch die Fichtau ritt, waren schier alle, die damals den Brautzug angeschaut und ihn beneidet hatten, schon alte Männer, und die Kinder, die unbegreifend das Gewühl und den Prunk angestaunt hatten, waren erwachsen, waren in Geschäflen versorgt und hatten wahrscheinlich schon alles vergessen.
    In der grünen Fichtau ritt er zu und ließ sich einen Trunk geben. Romanus und Ludmilla waren uralt. Sie saßen beide nebeneinander in der Sonne und lächelten. In dem Lächeln des Romanus war noch der alte Verstand und die gewisse Schlauheit, die er gehabt hatte, nur etwas schwächer und beruhigter: in Ludmillas Angesichte war nichts als die Güte, die Verstandesschwäche und die Unschuld. Ihre ganz silberweißen Haare sahen bei dem schwarzen Häubchen hervor, das man ihr aufgesetzt hatte. Romanus´ Haare waren, wenn es möglich ist, noch weißer und blendender geworden, nur dünner und schlichter waren sie. Damian trat, wie einstens sein Vater, mit dem Trunke in der Hand zu dem Grafen und lüftete das Käppchen. Unter demselben aber waren noch die schönen, braun glänzenden Locken. Er hatte ganz das Antlitz des Vaters; die Träumerei seiner Jugend war eine Art Sanftmut geworden, statt daß der Vater mehr eine gutherzige Schalkheit besessen hatte. Seine jüngsten zwei Buben standen da und glotzten den Grafen an.
    Als derselbe wieder weiterritt, war es ihm bestimmt, auch noch den Rest der Familie der grünen Fichtau zu sehen. Die Vorhersage des alten Romanus war rascher in Erfüllung gegangen, als man gedacht hatte; der Weg
    durch die Fichtau war ein Fahrweg geworden, schöne kurze Gebirgswägelchen rollten auf ihm, und nur noch selten, gleichsam wie ein übergebliebenes Altertum, hörte man das Saumglöcklein, das an dem Halse eines alten, mit Gepäck einherschreitenden Tieres hing. Auf diesem Wege begegnete dem reitenden Grafen an einer Stelle der Perniz, wo man recht schöne Geländer gemacht hatte, ein Wagen. Auf demselben saß ein vornehm bürgerlich aussehender Mann, der ihn leitete, der Lederermeister Albrecht von Perklas. Hinter ihm war die einst so schöne Lenore. Sie war kaum mehr zu erkennen. Zwar leuchtete von ihrem Antlitze noch immer die Frische, die Gesundheit und Freude, aber sie war fast zu dick geworden, eine wohlhabende, mehr in der Stube als auf dem Felde sich aufhaltende Bürgerin. An ihrer Seite saß ein erwachsenes Mädchen, ganz die einstige schlanke, feine, unsäglich edel gebildete Lenore der grünen Fichtau. Hinten waren noch zwei ziemlich erwachsene Buben und ein kleines Mädchen aufgepackt, die ganze Freude des Bürgerhauses, die zu den Großeltern hinausgeführt wurde.
    Prokopus ritt vorüber; er ritt an dem entgegenrauschenden Wasser und an dem hereindunkelnden Grün der Bäume hinaus.
    Die ganze Zeit, als er nicht zu Hause gewesen war, war Gertraud in ihrem Zimmer gesessen und hatte kreideweiß immer an Tüchern genäht.
     

3. Der Abend
     
    Es ist nicht mehr viel zu sagen. Die natürlichen Dinge gehen ihren Lauf, wir mögen noch so großen Schmerz darüber empfinden. Es ist aber in unsere Macht gegeben, die Wesenheit dieser Dinge zu ergründen und sie nach derselben zu gebrauchen. Dann gehorchen uns die Dinge.
    Die Kinder Prokops und Gertrauds waren erwachsen. Sie waren gemalt und in dem grünen Saale aufgestellt worden. Die drei Töchter, die schönsten Nachbilder der sanften Mutter, standen gleich nach Prokopus - dann kamen die merkwürdigen Brüder: Julianus im reichen Goldkleide, in einem kleinen, vergoldeten Harnische, widrigen Angesichtes, furchtbaren roten Bartes - Julius im grünen Jagdkleide, ein Bild edler, sanfter Schönheit mit auf das Kleid herabwallenden Locken. Wenn sein Vater, da er in diesem Alter war, das gleiche Gewand angehabt hätte, so wäre er Julius gewesen.
    So standen die Bilder in dem grünen Saale: - es änderten sich gemach die Farben derselben, wie es ihre Natur ist, und Staub fiel darauf - und so werden sie stehen, wenn alles an den Urbildern längst in dem Laufe der
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