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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus
Autoren: Adalbert Stifter
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Weile auf dem Rothensteine gewesen. Er war ein seltsamer Mensch. Von seinen Vorfahrern mit Gütern und Reichtümern versehen, genoß er dieselben gleichwohl nicht, das heißt, er genoß sie nicht so, wie sie seine Standesgenossen und so ziemlich alle Menschen seiner Zeit genossen haben würden. Er verbrachte einige seiner frühesten Jugendjahre im Kriege. Dann kam er nach Hause und liebte ein armes Mädchen seiner Nachbarschaft so sehr, daß er es zu seinem Stande erheben und zu seiner Gemahlin machen wollte. Das Mädchen hatte eingewilligt und wurde in verschiedenen Dingen unterrichtet. Nach und nach gewann sie aber den Forstmeister viel lieber, und Bernhard gab ihr eine große Summe Geldes und ließ sie den Forstmeister heiraten. Nach drei Jahren heiratete er selber ein Edelfräulein, welches nach fünfjähriger kinderloser Ehe starb. Von nun an blieb er unvermählt. Er hatte schon früher, da er von den Kriegsfeldern zurückkam, ein sehr gleichmäßiges Leben geführt. Er hatte nicht Pferde und Hunde oder Gewehre, Rüstkammern und Dienerschaft gehalten, er gab keine Tafeln und Gelage und wohnte keinen solchen bei. Dieses Leben führte er als Witwer um so mehr fort. Er setzte mehrere gute Amtmänner in seinen Liegenschaften ein und besuchte bald den einen, bald den andern. In seinem Schlosse hatte er viele Bücher und wissenschaftliche Geräte. In den Büchern las er, mit den Geräten machte er Versuche. Er reisete auch manchmal fort und besuchte Städte und Männer, die ähnliche Dinge trieben wie er, und unterredete sich mit ihnen. Wegen dieser unkriegerischen und unjagdlichen Eigenschaften, die sie ihm beilegen zu müssen glaubten, hatten seine Nachbarn und Standesgenossen seltsame und unvorteilhafte Meinungen von ihm. Zu diesem Manne, da er, wie wir sagten, einmal eine Weile auf dem Rothenstein war, faßte der Knabe Prokopus eine feurige Liebe. Bernhard hatte sich mit ihm abgegeben, ihm vieles erzählt und ihn um manches gefragt. Da es nun so war, schlug er den Eltern vor, daß er auf den Berg herüberkommen und den Knaben unterrichten wolle. Die Eltern waren sehr zufrieden, Bernhard reiste ab, kam nach einiger Zeit wieder und lernte von nun an alle Tage mit dem Kinde. In kurzer Zeit starben Vater und Mutter hintereinander. Da kam in Folge des väterlichen Testamentes Flerenz von den Tennen, ein unabhängiger, adeliger Mann, der mit den Scharnast weitläufig verwandt war, als Vormund des Buben und als Gerhab der Besitzungen auf das Schloß. Es begann eine Verwaltung, in der alles zu dem Zwecke ging, daß das Gut sich nicht vermindere, sondern vermehre. Bernhard blieb auf dem Schlosse, er wurde von dem Schloßgesinde für einen Lehrer angesehen, der gezahlt wird, und ging mit seinem Zöglinge auf dem Berge herum. Da derselbe in das Jünglingsalter getreten war, hielt Bernhard dafür, daß er einige Zeit in Kriegsdienste gehe, daß er sich stärke und tüchtig werde: aber als er bald ungebändigte Neigungen und Leidenschaften bei dieser Beschäftigung verraten hatte, zog man ihn von derselben in kurzer Zeit wieder zurück. Er ritt nun in der Gegend nach verschiedenen Stellen herum. So kam er auch auf den Stauenfels und faßte eine heftige Neigung zu dem Kinde Gertraud von der Staue. Er ritt von jetzt an, wenn es seine Stunden erlaubten, zu jeder Zeit nirgends anders hin als aul den Stauenfels. Weder der Vater des Mädchens noch der Vormund wollten wegen der großen Jugend Prokops und Gertrauds in das Einverständnis willigen, aber die bewunderungswürdige Ausdauer Prokops in seiner Bewerbung und die unermeßliche Neigung des heranwachsenden Mädchens zu dem Jünglinge besiegten allen Widerstand. Der Vater selber beredete den Vormund, seine Einwilligung zu geben. Der finstere Flerenz von den Tennen legte eine Vormundschaftsrechnung über die Zeit seiner Amtsführung ab, welche alle Erwartungen bei weitem übertraf, dann ward Prokopus für volljährig erklärt. Wenige Wochen darauf hielt er sein Vermählungsfest auf dem Stauenfels, bei welchem Bernhard Vaterstelle vertrat, und führte dann die Braut voll Freude und Vergnügen auf den von ihr noch mit keinem Auge gesehenen Rothenstein, wie wir es im vorigen Abschnitte schilderten und wo sie sich auf dem Balkone bei dem Scheine der Sterne an die Herzen drückten.
    Die Zeit zwischen der Volljährigkeitserklärung und der Vermählung wurde von Prokop zu lauter Vorbereitungen zu dem Feste verwendet, und da, wie wir sagten, alle frühere Vergangenheit sehr einförmig und
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