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Prokopus

Prokopus

Titel: Prokopus
Autoren: Adalbert Stifter
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das mitten auf dem gleichartigen Rasen von vier Linden umgeben stand. Prokopus führte Gertraud auch in den Sixtusbau, der glatt und fest von gehauenem Steine aufgeführt, als sei er von Eisen, hinter dem Eichenwalde stand und die Klausur der einstigen Burgfrau Hermenegild, der Gattin des Kreuzfahrers Ubaldus, die nach dem Tode ihres Mannes Nonne geworden war, dann mehrere Prunk- und Wohngemächer früherer Geschlechter und endlich den grünen Saal enthielt, in welchem alle Angehörigen des Berges in Lebensgröße gemalt waren. Gertraud sah alle Männer dieses Schlosses bis auf Prokopus herab, der noch fehlte, in Harnischen dastehen oder sich an Tische lehnen oder in reichen Sesseln sitzen. Sie sah alle Frauen und Jungfrauen in den fortschreitenden Veränderungen ihrer Gewänder, die oft wunderbar und zierlich genug waren. Sie betrachtete die nächsten, leeren Nischen, in welche Prokops und ihr Bild und vielleicht die Bilder derer kommen könnten, die den Kreis von zweien zu einem von vielen zu erweitern bestimmt waren. Jetzt standen sie nur erst zwei da, und in dem ungeheuren Saale, in welchem die Reihen von Männern und Frauen hinabglänzten,in welchem der glatte Serpentin und die Lichter und Hellpunkte der Gemälde durch hereingehende Tagfluten funkelten, erschienen sie klein und beinahe unscheinbar.
    Prokopus zeigte seiner jungen Gattin auch andere Bauwerke des Berges, welche für die verschiedenartigste Dienerschaft, für Pferde, Wägen und dergleichen bestimmt waren, er zeigte ihr die lang hinlaufenden Mauerwerke, welche die Stufen des Weingeländes bilden und schwarz bemalt trotz der Höhe und trotz der kühlen Sonne doch die süßen Beeren des Berges reifen - er zeigte ihr die ungeheure Umfangsmauer des Berges. welche während achtzig Jahren in verschiedenen Zeiträumen erbaut worden war - er führte sie durch die verschiedenen Anlagen und deren Lustbauten - er geleitete sie durch den Fichtenberg, einen sonderbar ansteigenden roten Fels, der an seiner unteren, sanften Dachung mit dichten Fichten bewachsen und auf seinem Gipfel so glatt geebnet war, daß ein bedeutendes Gebäude auf ihm hätte stehen können; - er führte sie durch eine sanft geschwungene, grasreiche Wiese zu der Bergzunge empor, die schnell und fürchterlich gegen die Fichtau abfällt, daß unten grüne Waldeswogen hinausgehen, von manchem Wässerlein durchglitzert, und daß draußen rötlich blaulich der Grahns dämmert, der hinter dem Wirtshause der grünen Fichtau steht.
    Sooft sie von solchen Besuchen und Gängen zurückkamen, saßen sie gerne in ihren kühlen, schattigen Zimmern - denn auf dem Berge begann es bereits heiß zu werden - und erzählten sich von ihrem Glücke und von der ungeheuern und unermeßlichen Größe desselben, die sie erst in der Zukunft erwartete.
    Nächst dem, daß er mit seiner Gattin umging, widmete nun Prokopus auch einen Teil seiner Zeit der Bewirtschaftung seiner Güter und der Ordnung seiner Verhältnisse. Er war aus der Vormundschaft herausgekommen und fing nun an, alles zuerst genau kennenzulernen, um es dann in den Gang zu bringen oder vielmehr in demselben zu erhalten; denn das erkannte er sehr bald, daß der finstere Vormund, den er nie geliebt, ja kaum geachtet hatte, der selber bei den Nachbarn in keinem freundlichen Rufe stand, vorzüglich gut gewirtschaftet haben mußte. Obwohl er noch sehr jung war, so hatte er doch ein adeliges, stolzes und zuversichtliches Wesen, das ihm Achtung verschaffte, und hiebei eine solche mildernde Schönheit des Angesichts, daß ihm überall Liebe entgegenflog. Vorzüglich jung waren die Augen an ihm geblieben, daß sie noch beinahe so unbefangen und unschuldig in ihrer Größe in die Welt hineinsahen wie bei einem Knaben. Gertraud liebte diese Schönheit gar so sehr, und wenn er nach längerer Abwesenheit wieder nach Hause kam, konnte sie sich gar nicht satt sehen an seinen Zügen und an der Gewalt seiner Augen, und sie hing in Seligkeit an dem Empfangskusse seiner Lippen. Er entgegen lebte und webte in ihrem Innern und konnte sich nicht denken, daß es ein lieblicheres, unschuldigeres, holderes und reizenderes Weib auf Erden geben könne als Gertraud.
    Ehe das erste Jahr der Ehe herum war, kam der bestellte niederländische Meister, um die beiden Bilder, Prokops und Gertrauds, für den grünen Saal zu malen. Es war ein Fest für beide und war zugleich eine heilige Handlung für ihre Nachwelt. Prokopus, in Verehrung der ernsten vergangenen Zeit, die überall in dem
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