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Der Kuss Des Kjer

Der Kuss Des Kjer

Titel: Der Kuss Des Kjer
Autoren: Lynn Raven
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Lynn Raven

    Der Kuss des Kjer

    ***
    Der Sturm riss heulend an ihrem blutbesudelten Gewand und peitschte ihr Schnee und Hagel entgegen. Im Licht der drei Monde glitzerte Eis auf den Mauern. Sie grub die Finger in die Kälte, zog sich mühsam weiter an den Steinen entlang. Doch schon nach wenigen Schritten brach sie in die Knie - und kroch mit letzter Kraft zu den Zinnen. Ihr Schrei gellte von den hohen Mauern wider: » Gib mir mein Kind zurück! «

    *** 1 ***

    Der Diener verneigte sich tief, als er den Helm mit dem mächtigen Rosshaarschweif entgegennahm, während zwei andere die Türen zur Halle des Herrschers öffneten.
    Ohne die Männer weiter zu beachten, trat König Haffrens erster Heerführer zwischen ihnen hindurch. Das Leder von Hose und Stiefeln war mit Straßenschlamm bespritzt, der lange, um die Schultern mit Nachtfeh verbrämte Mantel im Saum eingerissen und beschmutzt. Vom Kriegslager an der südlichen Grenze umgehend vor den König befohlen, hatte er weder sich noch seine Begleiter auf dem Ritt geschont. Fünf Tage und Nächte hatten sie im Sattel verbracht, wobei sie ihren mächtigen Kriegsrössern nur gerade so viel Ruhe gegönnt hatten wie unbedingt nötig. Und obwohl er in diesen Tagen nicht geschlafen hatte, schritt er, ohne auch nur die Spur von Müdigkeit zu zeigen, an den Feuergruben entlang, die in den Boden der Halle eingelassen waren.
    Er war sich der Krieger bewusst, die an den Wänden postiert waren, in den flackernden Schatten halb verborgen. Sie verfolgten jede seiner Bewegungen, tödliche Hellebarden mit armlangen Klingen an den Enden neben sich. Es war sein Privileg als erster Heerführer, das Schwert auch in Gegenwart des Königs zu tragen, doch sollte er versuchen, es gegen den König zu führen, würden diese Männer keine Gnade kennen.
    Als er die wenigen Stufen am Ende der Halle hinaufstieg, schlug er den schwarzen Mantel zurück. Ein leises Klirren verriet das Kettenhemd, das er unter dem dunklen Lederwams trug. Vor dem Thron sank er auf ein Knie und wartete, dass König Haffren zuerst das Wort an ihn richtete. Doch der Herr der Kjer, der seit jener Nacht vor dreiundzwanzig Wintern, als Herrscherin Naisee dem Wahnsinn verfallen war, an ihrer Stelle Telmáhr regierte, schwieg. Mit rotunterlaufenen Augen musterte er den Mann, den viele nur >Blutwolf< nannten - und seit zwei Wintern hinter vorgehaltener Hand auch die >Bestie von Sajidarrah<. Seit dieser Krieger einer seiner Heerführer war, hatte er jeden seiner Befehle unbarmherzig bis zur allerletzten Konsequenz ausgeführt und noch nie versagt.
    »Du hast mich warten lassen, Heerführer.« Anstatt dem Mann zu gestatten, sich von den Knien zu erheben, wie er es bei jedem anderen getan hätte, zog Haffren seinen pelzgefütterten Mantel enger um sich. Wie stets in den letzten Wochen fror er trotz der brennenden Feuerbecken. Schon seit mehr als zwanzig Wintern wühlte die Krankheit in seinem Körper, doch inzwischen brachten auch Mohn und Wein nur noch wenig Linderung.
    »Vergebt mir, mein Gebietet, ich kam, so schnell ich konnte.«
    Unwillig runzelte der König die Stirn. Hatte er da eben Aufsässigkeit im Ton des Kriegers gehört? Er beschloss, es für den Augenblick auf sich beruhen zu lassen, und hob in einer nachlässigen Bewegung die Hand. Von einem mit Fellen reich belegten Stuhl nahe der Wand stemmte sich ein schlanker, dunkelhaariger Mann in die Höhe und kam langsam herüber, die Hände in den weiten Ärmeln seiner kostbaren Robe verborgen. Blauviolette Augen glitzerten unter dünnen Brauen in einem seltsam alterslosen Gesicht, in dem Lippen und Nase beinah ein wenig zu schmal wirkten.
    »Dein Herr hat eine Aufgabe für dich, Heerführer.«
    Abrupt sah der auf. Seine Haltung drückte plötzlich Widerwillen aus. Trotzdem schwieg er.
    Ladakh, Astrologicus und Heiler des Königs, lächelte. Er konnte den Zorn des Kriegers geradezu körperlich spüren. Zorn darüber, dass er noch immer auf den Knien liegen musste wie ein Unfreier und dass er, Ladakh, auf diese herablassende Weise mit ihm sprach.
    »Du wirst nach Anschara gehen. Dort lebt eine Heilerin mit Namen Lijanas. Bring sie hierher.« Als wolle er einen Einspruch des Mannes verhindern, nickte Ladakh knapp.
    »Ich weiß, Heerführer, Anschara ist die Hauptstadt Astrachars, und zwischen den Kjer und den Nivard herrscht Krieg. Wahrscheinlich wird die Frau dich also nicht freiwillig begleiten. Aber es sollte für jemanden wie dich kein Problem sein, mit einem Weib
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