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Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Titel: Professor Mittelzwercks Geschöpfe
Autoren: Johanna und Günter Braun
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sich nachher rasch Wichtigerem hingeben zu können. Vielleicht war dies der Lebensstil von Mittelzwerck. Trotzdem mi ß fiel es mir, ihm zuzusehen.
    Ich schloß meine Rollos. Ich wollte keine schlechte Laune haben, wenn ich ihn nachmittags am Kaffeetisch begrüßen würde. Ich wollte ihm nicht als Meckergreis gegenübersitzen, der jede Tätigkeit der Jugend als unnötig und sinnlos und undurchdacht ansieht, als solcher, der unausgesprochen sagt, nach sechzig Jahren, junger Freund, da werden Sie die Dinge in a n deren Relationen sehen. Da wird Ihnen erst klar, was wesentlich gewesen wäre. Ich wollte keine Bitterkeit in unseren Kaffee fließen lassen, weil ich nun abtrat. Ich wollte den guten Mittelzwerck erst gar nicht dem Gefühl ausliefern, er stoße mich von meinem Platz.
    Er war mein Nachfolger. Und wenn er etwas von mir wissen wollte, würde ich es ihm erklären und erläutern, so gut ich konnte. Und wenn er nichts zu wissen wünschte, würde ich schweigen. Man kann doch seinem Nachfolger nicht ständig mit dem Töpfchen hinterherlaufen. Mittelzwerck sollte wissen, daß ich nicht verbittert war.
    Womöglich blieb er aus einem blöden Feingefühl so lange beim Meere s garten. Ich schickte meine Haushaltsdame hin.
    Nichts, sagte sie, die machen bis zum Abend durch.
    Dann lade sie zum Abendessen ein, sagte ich etwas ärgerlich, da müssen sie erscheinen; sag ihnen, es wird vielleicht ein ungewöhnlicher Abend.
    Die hören nicht, die haben einen Rappel. Die triefen schon vor Nässe, aber sie hören nicht.
    Die werden doch nicht nachts noch stochern wollen.
    Immerhin sagte Mittelzwerck sich für den Abend an. Es sei ihm eine Ehre.
    Tatsächlich wollte ich, daß dieser Abend ein ungewohnter, ausgefallener, besonderer Abend werden sollte. Zwar wollte ich Mittelzwerck nicht feierlich mein Amt bei der Gesellschaft zur Verwertung und Entwicklung der Meere s früchte und meinen Professorenkram in die Hände legen. Dies war für mich ein aktenmäßiger Vorgang, keiner Rede wert. Ich hatte vielmehr vor, dem jungen Mann (der immer als hoffnungsvoller junger Mann bezeichnet wu r de, wobei nicht klar herauskam, wer eigentlich da hoffte, die Gesellschaft oder Mittelzwerck) – ich hatte vor, ihn in die Sache conviva ludibundus einzuweihen. Er sollte der erste Mensch sein, dem ich die bio-elektronischen Systeme vorstellen und erläutern wollte, die durch die Me e re schweiften und Gäste meines Gartens waren.
    Es schien mir logisch, daß er als erster wissen müßte, wie eigentlich der Meeresgarten zu seinen Muschelernten kam, woher die Medaillons rührten und wie die bio-elektronischen Systeme entstanden waren. Ich hatte nicht die Absicht, ihm aus meinem Aufgeschriebenen vorzulesen, ich wollte ihn nur mit den Ludibundi konfrontieren, vorerst einige Mikroelektronenfotos an die Wand werfen, die undeutlich, doch bei einiger Phantasie erkennbar, verschiedene Zustände des bio-elektronischen Systems darstellten. Ve r schiedene Spiele des Systems, wie ich es nannte.
    Diese Vorführung, erste Bekanntschaft mit dem conviva ludibundus, wol l te ich zwar nicht feierlich, aber genießerisch gestalten. Ich war tatsächlich davon überzeugt, daß meine Eröffnung betreffs der Ludibundi ein geistiger Genuß ungewöhnlicher Art sein würde, etwa wie die Eröffnung, daß sich die Erde um die Sonne dreht.
    Um diesen Genuß zu unterstreichen, wollte ich Grüne Medaillons anbi e ten, zusammen mit weißem Algenwein und heißen, knusprigen, goldgetö n ten sogenannten Schrippen, einem vergessenen Gebäck, das meine Hau s haltsdame in einem von mir gebauten Steinofen nach langen Mecker eien meinerseits endlich zu bac ken lernte. Die Grünen Medaillons sollten kühl auf den Tisch kommen, aber nicht eisgekühlt. Sie sollten nicht auf Eisbr o cken liegen, sondern auf Meerkohlblättern. Soßen sollten nicht über sie gego s sen werden. Das hielt ich für Geschmackstötung. Leider konnte ich es nicht verhindern, daß in dem Meeresrestaurant mehr und mehr Soßen auf die Muschel geplempert wurden. Die Soßen wirkten preisbildend. So g e schah es, daß jemand, der sich erfrechte, Grüne Medaillons pur zu verla n gen, den doppelten Preis zahlen mußte.
    Nun, diese teuren unbegossenen Muscheln wollte ich Mittelzwerck und seinem Assistenten vorsetzen. Und um den Tisch wollte ich Spiegellichter stellen, von denen die grüne Muschelfarbe vielfach zurückgeworfen werden sollte.
    Grünes Licht würde das Zimmer füllen. Wir würden sitzen wie in einer U n
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