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Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Titel: Professor Mittelzwercks Geschöpfe
Autoren: Johanna und Günter Braun
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Raum durch selbstgewähltes Grauen selbst zum Ve r rat bringt. Es gäbe keine Folterknechte mehr, nur Zuschauer, allenfalls Helfer, die ihrem Opfer (aber es ist kein Opfer mehr) zeigen, wie es sich in der Quälmaschine einzuspannen und welchen Knopf es zu bedienen hat, um seine Qualen abzustufen. Es gäbe keine Prozesse wegen unmenschl i chen Verhaltens und keine schlechten Gewissen mehr. sich in übereinstimmung bringen scheint ein bahnbrechendes Werk. Daß niemand früher d a rauf gekommen ist!
     
    Ich könnte mir ein Interview mit einem Kulturpolitiker auf einer Buc h messe vorstellen:
    Wie kommt es eigentlich, daß in Ihrem Land nur Bücher veröffentlicht werden, die sich im Einklang mit der Politik Ihrer Regierung befinden?
    Ach, wissen Sie, Herr X. das weiß ich auch nicht. Da müssen Sie die Schriftsteller befragen. Es war ihr eigener völlig freier Wille, derartige B ü cher zu verfassen. Warum sollten wir sie daran hindern? Hier darf ja jeder schreiben, wie und was er will.
    Gibt es keine Versuche, nicht so erwünschte Bücher zu verbieten oder nicht erst zu drucken?
    Davon weiß ich nichts. Sie sehen ja selbst, hier liegen wieder einmal sechshundert neue Titel.
    Aber alle stimmen mit der Regierung überein.
    Dafür können wir nicht. Das ist ganz und gar Sache der Autoren.
    Wie ich Ihr Werk verstehe, geht das Sich-in-Übereinstimmung-bringen lautlos und schmerzlos vor sich. Wie macht man es aber praktisch? Ist es wie autogenes Training? Selbsthypnose? Schaukelt man sich in geistig höhere Welten, dorthin, wo jeglicher Kritik der Sauerstoff entzogen ist? Wo die jeweilige Politik der jeweilig Regierenden als Offenbarung empfangen werden kann? Wo man mit einem Schlag erleuchtet wird? Sie äußern sich darüber nicht genauer. Und wird, wer sich in Übereinstimmung gebracht hat, danach, etwa vom unsichtbaren kontrolleur, getötet? Sie könnten antworten, dies mag die Praxis von »1984« sein, Sie aber sind dafür, daß alles freiwillig vonstatten geht, und daraus würde ich dann schließen: wer Ihr Rezept befolgt, der tötet sich auch selbsttätig, er vegetiert nicht wie der arme Winston Smith als Wrack dahin, bis man ihn irgendwann erschießt. Jemand, der sich in übereinstimmung und damit gleichzeitig zur selbstt ö tung gebracht hat, lebt danach, wie mir scheint, als rüstiger Leic h nam weiter.
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
     
    Quellennachweis
     
    »Conviva Ludibundus. Utopischer Roman«. Erstveröffentlichung Verlag Das Neue Berlin, DDR-Berlin 1978; Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1982. (st 748)
    »Stalins Geist«. Erstveröffentlichung in dem Band Siebenquant oder der Stern des Glücks. SF-Satiren aus der DDR. Herausgegeben von Michael Nagula. Luchterhand Verlag, Darmstadt 1988
    »Unser lieber Versager«; »Die Abendbetrachtung: Großvater und Enkel über Fa und Cre«, aus: Johanna Braun, Günter, Braun, Der Utofant. In der Zukunft aufgefundenes Journal aus dem Jahrtausend III. Erstveröffentlichung Verlag Das Neue Berlin, DDR-Berlin 1981; Suhrkamp Verlag, Fran k furt am Main 1983 (st881 )
    »Die Wächter des Doms«, aus: Der Eingang ins Paradies und andere phantastische Erzählungen ausgewählt von Franz Rottensteiner. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1988 (st 1566)
    »Homo pipogenus erectus«, aus: Johanna Braun, Günter Braun, Der Fehlfaktor. Utopisch-phantastische Erzählungen. Erstveröffentlichung Ve r lag Das Neue Berlin, DDR-Berlin 1975; Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1981 (st 687)
    »Allein im Weltraum«, aus: Johanna Braun, Günter Braun, Die Nase des Neandertalers, Verlag Das Neue Berlin, DDR-Berlin 1969. Erstveröffentlichung Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1982 (51.757)
    »Der Wunsc h sohn«, aus: Arche Noah. Phantastische Erzählungen. Herausgegeben von Franz Rottensteiner. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1989 (st 1674)
    »Mein Boy«, aus: Phantastische Welten. Erzählungen aus der Pha n tastischen Bibliothek. Herausgegeben von Franz Rottensteiner. Suh r kamp Verlag, Frankfurt am Main 1984 (st 1968)
    »Zu dem berühmten Werk: Sich in Übereinstimmung bringen«, aus: Q u ar ber Merkur Nr. 61 ,Juli 1984
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