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Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Titel: Professor Mittelzwercks Geschöpfe
Autoren: Johanna und Günter Braun
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er war ja Vorsitzender des Rates für Technologien des Me e res und sollte nun auch noch im Oberen Rat unserer Gesellschaft die volle Verfügungsgewalt über sämtliche vorhandenen und noch zu entwic kelnden Meeresfrüchte übernehmen. Der Meeresgarten, in dem er heute herumg e stochert hatte, war nur ein Teil seines künftigen Verantwortungsbereichs.
    Mittelzwerck sollte praktisch, wenn man so will, der Meeresgott der Erde werden, mit mehr Befugnissen, als ich sie je besessen hatte.
    Ich sagte, nun aber, lieber Mittelzwerck, werden wir tüchtig Muscheln e s sen. Sie werden etwas quietschen, das darf Sie nicht erschrecken. Sie müssen sich hier wie zu Hause fühlen.
    Das Fleisch der Muscheln fühlte sich so an, als ob man zarte, weiche Li p pen an den Mund nimmt. Ich schnupperte zuerst daran, dann strich ich mit dem Mund darüber, und erst nach einer ganzen Weile sog ich langsam die Muschel ein. Sie quietschte leise. Nun eine Weile warten, dann Algenwein nachgießen. Die sogenannten Schrippen waren leider kalt geworden.
    Mittelzwerck spießte seine Muscheln rasch nacheinander auf, schob sie sich rein und kaute gründlich. Er fragte, was haben sie darangetan, we l ches Gewürz?
    Gar keins.
    Nicht möglich, sie schmecken ja ganz anders; ich muß aber gestehen, ich bin kein Muschelesser, ich esse sie nur bei Empfängen, und da ist meistens Soße darüber, oder sie liegen in Aspik. Also, offen gestanden, die Muschel als solche gibt mir nichts.
    Sie müssen danach Wein trinken.
    Bitte nicht, Herr Professor, ich meide den Alkohol.
    Sind Sie krank?
    Das nicht. Ich meine, er bringt einen nicht weiter.
    Soll ich die ganze Pulle hier alleine trinken, ich alter Mann? Weg muß sie nämlich, morgen schmeckt der Wein nicht mehr.
    Ach, Herr Professor, es tut mir furchtbar leid, ich würde gerne ein Glas Wasser trinken.
    Auch Muscheln aß er nicht mehr, ich mußte sie mir alle selber einverle i ben, wodurch ich allerdings ganz heiter wurde.
    Ich dachte, das ist eben der Meeresfruchtgesellschafter neuen Typs. Selbst hält er nichts von den Dingern, die er entwickeln und verwerten läßt, er hat zu ihnen ein objektives nüchternes Verhältnis. Sie müssen so und so sein, die Leute wollen sie so haben, und sie sind nützlich.
    Ich fragte, nehmen Sie manchmal Grüne-Medaillon-Tinktur?
    Ja, regelmäßig.
    Für die Gesundheit, dachte ich, er ist ganz sachlich. Auch nicht schlecht. Was nützt ein engagierter Muschelschlecker, der den Betrieb verschlampen läßt? Und sagt man nicht, gerade die leidenschaftlich engagierten Macher bringen oftmals dilettantischen Mist hervor, mit Leidenschaft und mit Schaum vorm Mund?
    Mir schien jetzt Mittelzwerck geradezu geeignet, sich meine Offenbarung über conviva ludibundus anzuhören. Er würde nicht sofort in rasende B e geisterung verfallen, er würde sich das sachlich durch den Kopf gehen lassen, die Fakten prüfen, sich den Film vielleicht zweimal oder dreimal ansehen und danach überlegen, was in den Ludibundi sonst noch für Mö g lichkeiten stecken könnten.
    Ich meinte, es ist gut, wenn nach mir altem Spieler und Ausprobierer und gammligen Genießer ein kleiner Nüchternbold drankommt. Der wird z u mindest meine Hinterlassenschaft anständig aufbewahren, sie auswerten und vielleicht sogar entwickeln. Alles ein bißchen trocken, ein bißchen gründlich, aber er wird sie aufbewahren. Und eines Tages wird einer seiner Nachfolger ein neues Spiel damit beginnen. Das kann er aber nur, wenn meine Hinterlassenschaft nicht untergeht, dann kann ein neuer Spieler kommen. Jetzt scheint mir, müssen meine Erkenntnisse erst mal bekannt werden. Die Leute müssen sie verdauen. Dafür wird Mittelzwerck schon sorgen.
    Leider sah er schon wieder auf die Ziffern seines Zeitanzeigers, die u n aufhörlich wanderten, als wollte er die nächste Ziffer mit seinem Blick he r beiziehen. In Hetze wollte ich conviva ludibundus nicht vorstellen.
    Ich sagte, morgen möchte ich mit Ihnen noch einmal gründlich über e t was sehr Wesentliches sprechen, wir müssen uns den ganzen Abend Zeit nehmen.
    Ich weiß nicht, ob ich es morgen schaffen werde, sagte er, morgen wird ein sehr harter Tag sein.
    Er sah mich plötzlich überlegen an. Ich hab herausgefunden, verehrter Herr Professor, daß schon seit Jahren in Ihrem Meeresgarten fünfzig Pr o zent der Grünen-Medaillon-Ernte von unbekannten Räubern maritimer Herkunft abgefressen werden. Fünfzig Prozent wertvollen Muschelgutes sind unserer Erdbevölkerung entzogen worden.
    So,
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