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Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Professor Mittelzwercks Geschöpfe

Titel: Professor Mittelzwercks Geschöpfe
Autoren: Johanna und Günter Braun
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hatte ich vorhin vergessen, gehörten selbs t verständlich Wissenschaftler und Studenten, die delegations förmig und auch einzeln von Zeit zu Zeit den Meeresgarten heimsuchten. Sie fuhren mit kleinen Schlauchbooten umher, tauchten Meßröhrchen ein oder tauc h ten selbst. Später hockten sie im weißen Sand, tippten auf Taschenrec h nern und sprachen auf Recorder. Sie fügten sich friedlich in mein Bild. Sie störten mich so wenig wie die anderen Erscheinungen. Allerdings ging ich zu den Zeiten, um die der weiße Sand und das Gebiet des Meeresgartens sowie der Weg zum Unterwasserrestaurant bevölkert waren, selten zum Strand, ja, ich vermied es möglichst.
    Wenn ich mich selbst ins Bild begab, war es entweder abends kurz vor Sonnenuntergang oder morgens kurz vor Sonnenaufgang. Und wenn die ersten Menschen sich näherten, saß ich wieder hinter meinem Fenster oder kramte im Haus herum.
    Es fiel mir sofort auf, ja, es irritierte mich, als ich an einem Morgen, 4.30 h etwa, als sich der Strand noch grau darbot, am Meeresgarten eine G e stalt bemerkte, die dort, gefolgt von einer weiteren, mit Rohren und Röh r chen herumhantierte.
    Als ich mich näherte, erkannte ich zwar den Professor Dr. Dr. Hans H. Mittelzwerck und seinen Assistenten. Ich entsann mich auch, daß er sich angemeldet hatte, aber der Zeitpunkt seines Auftauchens erschien mir doch zu früh. Er hatte sich ja noch nicht bei mir sehen lassen. Er mußte nachts gekommen sein. Tatsächlich entdeckte ich oberhalb der Düne den blauen Flügler von der Gesellschaft zur Verwertung der Meeresfrüchte.
    Mittelzwerck grüßte höflich, als er mich wahrnahm. Das Schlauchboot schwankte dabei ein bißchen, zumal der Assistent gleich mitgrüßte.
    Ich wollte Sie so früh nicht stören, Herr Professor, rief Mittelzwerck, und darum hab ich gleich die Arbeit angefangen.
    Ich dachte, was für eine Arbeit, was gibt es hier zu arbeiten, hier funkti o niert doch alles, und alles, was man hier erforschen könnte (außer conviva ludibundus), ist schon erforscht und füllt die Enzyklopädien. Der Jahresb e richt im »Meeresgärtner« ist kürzlich erst erschienen.
    Das einzige, was der junge Mann hier noch erfahren könnte, kann er von mir hören. Das sind gewisse Hinweise, Tips, Erfahrungen. Aber ich sah auch ein, ein junger Mann wie Mittelzwerck wollte sich selbst Kenntnisse verschaffen. Das war nach meiner Ansicht zwar unnötig, weil sie schon vorlagen, doch ehrenwert. Er wollte eben von mir Erprobtes und Erkanntes nicht unbesehen übernehmen, wollte sich selber überzeugen, ob alles, was der Meeresgreis da angab, auch stimmte. Er hätte alle Daten über den Garten bei mir im Haus aus dem Regal ziehen können, aber er glaubte dem Papier nicht ohne weiteres, auch wenn es vom berühmten Philemon b e schrieben war. Dies schien mir sympathisch.
    Aber daß er so früh, bevor sich der Strand orange oder nur schwäch rosa färbte, im Meeresgarten stocherte, zu einer Zeit, die ich als meine Zeit betrachtete, verstimmte mich.
    Als er die Stocherei bis Mittag ausdehnte und noch nicht mal zum Essen kam, zu dem ich ihn durch Zuruf einlud, ärgerte ich mich.
    Ich muß dazu erklären, daß ich schon immer ein Mißbehagen spürte, wenn ich jemanden ununterbrochen arbeiten sah und er derart an seiner Arbeit klebte, daß er zu anderen wichtigen Sachen keine Zeit fand. Es war bei mir nicht das Mißbehagen eines Nichtstue n den, der einen Tuenden als Vorwurf auffaßt, nicht dieses Mißbehagen, das durch Vorhalten von Be i spielen des Fleißes und der Arbeitsleidenschaft in früher Jugend schon begründet wird.
    Beim Anblick eines unentwegt sich Betätigenden kam mir von jeher das dunkle Gefühl, es handle sich um etwas Unechtes. Da zeigt sich einer in Arbeitshaltung, da möchte einer demonstrieren, als lebendes Anscha u ungsmaterial, daß sich der Mensch vom Affen durch Arbeit fortentwickelt hat. Immer hatte ich dabei den Eindruck, er demonstriert so heftig, weil die Entwicklung bei ihm womöglich ausgeblieben ist. Ich hatte das Gefühl von Leerlauf, wenn ich jemanden sich so gebärden sah.
    Arbeitsgebärde, dachte ich, Arbeitsgehabe, und immer wieder, da ist was unecht. Natürlich muß ich einräumen, nicht jeder, der sich in Dauerarbeit s haltung darstellt, kann dafür. Er wurde vielleicht falsch erzogen. Bilder von großen Arbeitstieren schmückten vielleicht sein Kinderzimmer, einräumen will ich auch, daß jemand, der eine wenig interessante Arbeit los sein will, sie pausenlos durchzieht, um
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