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Privatklinik

Privatklinik

Titel: Privatklinik
Autoren: Heinz G. Konsalik
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untersuchte ihn selbst mit Testkarten, Testbogen, Testspielen und sinnreichen Fragen. Dann schrieb er seinen Bericht.
    »Vorgestellter Patient Ernst-Ludwig Mayhaller, hierselbst, geboren am 10. Juni 1917, durch eine Voruntersuchung durch Dr. Konrad Linden in die LHA eingewiesen zur stationären Beobachtung, ist nicht im Sinn der Psychiatrie nervenkrank. Die Diagnose Dr. Lindens auf schizophrene Wahnideen und Paranoia kann nicht bestätigt werden. M.E. ist eine Einweisung in eine geschlossene Anstalt nicht erforderlich. E.L. Mayhaller leidet an einer geringen Form manisch-depressiver Psychose, die zu keinerlei Besorgnis oder Umweltstörungen Anlaß gibt.«
    Ernst-Ludwig Mayhaller wurde daraufhin aus der LHA entlassen. Einen Tag später schon ermordete er an der Ruhr einen ihm völlig unbekannten Mann. »Er hat mich angesprochen und gesagt, er sei Hannibal und ich müßte sein Elefant werden!« beteuerte Mayhaller beim ersten Verhör. »Aber ich bin kein Elefant, Herr Kommissar. Ich schwöre es Ihnen, ich kann es Ihnen beweisen, daß ich kein Elefant bin. Ich bin ein Maulesel. Ein harmloser Maulesel. Aber Hannibal wollte unbedingt einen Elefanten haben!«
    Prof. Brosius war schockiert und sprach von einer nicht sichtbaren schleichenden Schizophrenie, die einen plötzlichen Wahnschub bekommen haben müßte. Dann fuhr er zu Dr. Linden und suchte Rückendeckung.
    Er kam fast gleichzeitig mit einem Krankenwagen an, der an der Aufnahme hielt. Eine Bahre wurde herausgehoben, aus dem Fahrerhaus kletterte ein Mann in zerknitterter Hose und Hausschuhen.
    »Kaul!« sagte Prof. Brosius erstaunt. »Was machen Sie denn hier? Wen begleiten Sie denn da?«
    »Pfarrer Merckel, Herr Professor.«
    »Aber wieso denn? Der Pfarrer? Hierher? Hat er einen Unfall gehabt?«
    »Ja. Seine Leber hat den Alkohol nicht mehr ausgehalten.«
    »Lassen Sie die dummen Reden, Kaul! Sie brauchen nicht immer Ihre Zugehörigkeit zu den Anonymen Alkoholikern zu demonstrieren …« Brosius lief der Bahre nach und sah tatsächlich Pfarrer Merckel unter den Decken und Lederschnüren liegen, die seinen massigen Körper auf der schmalen Segeltuchunterlage festhielten.
    Merckel erkannte Brosius und nickte ihm zu.
    »Guten Tag, Herr Professor …«, sagte er mit dünner Stimme. Es war erschütternd, wie ein Bär zum Wurm wurde.
    »Herr Pfarrer, was haben wir denn?« frage Brosius jovial und beugte sich über den weißhaarigen Schädel. Er sah die getrockneten Blutflocken in den Mundwinkeln und konnte nicht glauben, was er bei diesem Anblick dachte.
    »Es ist Schluß, Professor.« Pfarrer Merckel spuckte einen Blutklumpen aus und seufzte. »Gott ist nicht so gnädig, mich einfach umfallen zu lassen. Jetzt hält er Gericht über mich. Kann man es ihm übelnehmen, wenn man ihn über zwanzig Jahre lang betrogen hat? Tag für Tag, Nacht für Nacht? Seit Jahren sündige ich …«
    »Aber Herr Pfarrer …«, sagte Brosius entsetzt.
    »Nicht mit einem Weib, Professor! Nein, ich schlafe mit einer Flasche! Seit vielen Jahren, Professor. Im linken Arm liegt sie, meine feurige Geliebte. Und wenn sie mich in der Nacht unterm Arm kitzelt, entkorke ich sie und sauge ihr Leben aus. Eine moderne Form des Vampirismus. Und das alles unter Gottes Augen, dem ich diene. Am Sonntag singe ich Halleluja, und während die Orgel braust, gehe ich hinter den Altar und nehme einen tiefen Schluck. Das Bild der Muttergottes ist hoch genug, ich kann mich dahinter verstecken. Einmal erwischte mich ein Ministrant dabei. ›Es ist Eukalyptus, mein Sohn‹, log ich. ›Eukalyptus ist gut gegen einen rauhen Hals‹. Aber nun ist's vorbei … die Leber ist hin, und nun blute ich innerlich aus.«
    Im OP-Vorraum wartete Dr. Linden bereits in Operationskleidung.
    »Nanu«, sagte er, als er Brosius neben der Bahre hereinkommen sah. »Falls Sie schon eine Diagnose bereit haben, Herr Professor, eins ist sicher. Der Herr Pfarrer wird sich nicht als Elefant fühlen.«
    Brosius schwieg verbissen. Er trat zur Seite und hörte zu, was Dr. Linden und Pfarrer Merckel sprachen.
    »Jetzt komme ich zu Ihnen«, sagte Merckel schwach. »Wäre ich ein guter Priester, müßte ich darauf bestehen, nur von einem gläubigen Christen operiert zu werden. Aber ich pfeife darauf … zu Ihnen habe ich Vertrauen, Doktor Linden. Als ich im Krankenhaus hörte, daß Sie wieder hier sind, habe ich mich sofort wieder einladen und zu Ihnen bringen lassen. Nicht allein aus Liebe zu Ihnen.« Man hatte ihn in der Zwischenzeit losgeschnallt
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