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Prinz Rajin - Der Verdammte

Prinz Rajin - Der Verdammte

Titel: Prinz Rajin - Der Verdammte
Autoren: Alfred Bekker
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denn nur der Träger dieser Ringe hatte die nötige innere Kraft, die Drachen auf Dauer gehorsam zu halten, so wie es die Nachfahren Barajans seit fünf mal fünfundzwanzig Generationen taten. Die Rechnung, die der Weise Liisho aufgestellt hatte, war ganz einfach: Wenn Rajin den dritten Ring in seinen Besitz bringen konnte, war er nicht nur in der Lage, damit die immense Gefahr abzuwenden, die vom Urdrachen Yyuum ausging, sondern durfte auch darauf hoffen, dass sich zumindest ein Teil der Samurai auf die Seite der Rebellion stellte.
    „Die nötige Kraft ist in dir, Rajin“, fuhr Liisho fort. „Ich weiß es. Ich spüre es, wann immer ich meinen Geist dir gegenüber öffne. Aber da ist eine Wunde in deiner Seele, die dich schwächt und dir fortwährend Kraft raubt …“ Liisho machte eine kurze Pause. Der Blick seiner dunklen Augen musterte den Prinzen genau. Keine noch so kleine Regung entging jenem Mann, dessen Lebensspanne längst jedes für Menschen natürliche Maß überschritten hatte. „Du weißt so gut wie ich, von welcher Seelenwunde ich spreche“, setzte Liisho noch hinzu.
    Rajin hob den Blick. Mit einer flüchtig wirkenden Geste, die wie ein Spiegelbild seiner inneren Unsicherheit und Verzweiflung wirkte, strich er sich das blauschwarze Haar aus dem Gesicht. Der Blick seiner mandelförmigen Augen begegnete dem seines Mentors.
    Der Prinz trug enganliegende Hosen und ein Wams, um das ein breiter Gürtel geschnallt war. Es war die Kleidung eines einfachen Drachenreiters, so wie sie zu Hunderten in den Diensten des Fürsten von Sukara standen. Nichts deutete auf die kaiserliche Herkunft dieses jungen Mannes hin, und das war durchaus Absicht. Selbst im Palast des Fürsten wussten nur wenige Eingeweihte, dass Prinz Rajin hier Asyl gefunden hatte. Wäre es anders gewesen, hätte der Usurpator Katagi sofort seine Armada von Kriegsdrachen ausgeschickt, um den rechtmäßigen Thronfolger zu töten, noch ehe er den Anspruch auf die Macht offiziell hätte erheben können.
    Auch wenn die Kunde, dass Rajin nun die Rebellion anführte, sich in ganz Drachenia wie ein Lauffeuer verbreitete, so musste der Prinz sich doch bis auf weiteres vor den Dienern Katagis verbergen. Und das galt selbst für das Südflussland, die abgelegenste Provinz des drachenischen Reiches, wo der im Namen des Kaiserthrones regierende Fürst sich längst als ein getreuer Anhänger des Prinzen Rajin und des Hauses Barajan erwiesen hatte.
    „Du musst den Seelenschmerz verdrängen“, sagte Liisho. Sein Tonfall war gedämpft. Er sprach leiser als zuvor, aber dafür umso eindringlicher. Seit längerer Zeit schon hatte Liisho mit großer Sorge bemerkt, dass Rajin die Trauer um seine Geliebte Nya offenbar noch immer gefangen nahm. „Dein Geist ist nicht frei, Rajin“, sprach der Weise. „Und solange das der Fall ist, wirst du keine Fortschritte bei der Beherrschung deiner inneren Kraft machen.“
    „Dessen bin ich mir schmerzlich bewusst“, gestand Rajin.
    „Dann verbanne jeden Gedanken an sie aus deinem Geist!“, forderte der Weise mit Nachdruck – und keineswegs zum ersten Mal.
    Rajin schluckte. Er antwortete mit belegter Stimme. „Ich kann sie nicht vergessen“, gestand er. Es hatte keinen Sinn, die mehr als offensichtlichen Tatsachen zu leugnen. Das wäre auch vollkommen sinnlos gewesen. Liisho kannte Rajin einfach viel zu gut – besser als jeder andere Mensch. Schon seit Rajins Kindheit hatte ein geistiges Band zwischen dem Prinzen und dem Weisen bestanden, und zumindest ein Rest davon existierte noch immer. „Meine geliebte Nya … Mein ungeborener Sohn …“, murmelte er. „Wie könnte ich den Gedanken an sie aus meinem Inneren verbannen? Wie sie vergessen, wo Nya doch das Wichtigste in meinem Leben war?“
    „Soll die Tochter eines winterländischen Barbaren daran schuld sein, dass die Rebellion scheitert und der Drachenthron weiterhin von einem Usurpator besetzt bleibt, der innere Kraft durch Grausamkeit zu ersetzen versucht?“, fragte der Weise mit harter Stimme und ergriff Rajin bei den Schultern, als wollte er ihn schütteln und so zur Besinnung bringen.
    „Mir hat es von Anfang nicht gefallen, wie du über Nya geredet hast“, entgegnete dieser, und wieder flammte Zorn in ihm auf.
    „Sie war gewiss ein gutes Mädchen“, versuchte Liisho seine Äußerung etwas abzuschwächen und ließ die Hände sinken. Er spürte, dass jedes Wort, das den Prinzen von dem Gedanken an Nya fortreißen sollte, ihn in Wahrheit nur noch
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