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Prinz Rajin - Der Verdammte

Prinz Rajin - Der Verdammte

Titel: Prinz Rajin - Der Verdammte
Autoren: Alfred Bekker
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denn es sei immerhin ein abtrünniger Magier gewesen, der Rajins Geliebte Nya und seinen ungeborenen Sohn in einen totenähnlichen Schlaf versetzt habe. „Genau dies wird seine Bereitschaft, uns entgegenzukommen, unterstützen“, war jedoch der Großmeister überzeugt. „Man mache ihm ein Angebot, das seine gequälte Seele nicht abzulehnen vermag. Wir alle haben unsere Schwächen, ganz gleich ob Magier, Mensch oder riesenhafter Drache. Und die Schwäche von Prinz Rajin kennen wir nun. Das ist von unschätzbarem Vorteil für unsere langfristigen Pläne.“
    So ward ein Bote ausgesandt, und der Prinzen sollte zur Spielfigur in den Händen des Großmeisters werden, der mit der Entwicklung der Dinge sehr zufrieden war.
     
    Bericht von Bragados, dem vereidigten Schreiber des magischen Hochmeister-Kollegiums von Magussa
     
     
    Rajin aber war oft von Schwermut und Trauer erfüllt. Dann stand er an den Zinnen der Festung Sukara, die an der Küste jenseits der Mündung des Südflusses liegt. Er blickte in die Ferne und fragte sich, welchen Sinn es hatte, eine Bestimmung erfüllen zu wollen, die nach menschlichem Ermessen unerfüllbar war, sich gegen Feinde zu erheben, die unbezwingbar waren und dabei nach und nach alles zu verlieren, was ihm etwas bedeutete.
    Wie leicht wäre es gewesen, sich der Agonie der Verzweiflung hinzugeben! Wie verführerisch der Gedanke, dass im Angesicht des anschwellenden Schneemondes jede Anstrengung und jedes Aufbäumen gegen das Schicksal letztendlich Torheit war!
    Trauer und Wut beherrschten Prinz Rajins Seele. Und düstere Fantasien aus dem Reich der Finsternis, die er bislang nur seinem Widersacher Katagi zugeschrieben hatte, ergriffen von ihm Besitz. „Je länger wir gegeneinander kämpfen, desto ähnlicher werden wir uns“, offenbarte er sich einmal dem Weisen Liisho.
    „Genau deshalb wird man dich einst einen Verdammten nennen, wenn du es nicht schaffst, der Erretter aller zu werden“, lautete die wenig tröstliche Erwiderung des Weisen.
     
    Das Epos des verfluchten Prinzen Rajin, Codex III, Kap. 23
     

1. Kapitel
Geborstener Stahl, gebrochener Stein und verlorene Seelen
     
    Schatten tanzten im flackernden Schein der Fackeln an den klammen Steinwänden. Feuchte Kälte herrschte in den labyrinthischen Gewölben tief unter der Festung Sukara, und der modrige Geruch des Alters hing in der Luft.
    Das leicht gebogene drachenische Schwert bewegte sich so schnell, das die Klinge für ein menschliches Auge kaum sichtbar war. Ein vibrierendes Flimmern, ein zuckender Blitz aus glänzendem Metall und der zischende Laut eines tödlichen Hauchs – das war alles.
    Prinz Rajin stieß einen Schrei von sonorer Kraft aus. Er hatte den Griff des nach drachenischer Art geschmiedeten Matana-Schwerts mit beiden Händen gefasst und stand breitbeinig da, den linken Fuß etwas nach vorn und den rechten ein Stück zurückgesetzt.
    Der Stahl klirrte auf einen hüfthohen, annähernd quaderförmigen Block aus Drachenbasalt, jenem besonderen Gestein, das am Ende des Ersten Äons aus der von den Drachen aufgerissenen Erde getreten war. Funken sprühten. Die Klinge des Matana-Schwerts prallte ab, und ein furchtbarer Schmerz flutete durch die Hände und die Arme des Prinzen empor. Sein Schrei wandelte sich innerhalb eines Augenaufschlags von einem Ausdruck innerer Kraft und geistiger Präsenz in einen Laut, der ebenso gut purer Verzweiflung hätte entspringen können.
    Rajin hörte eine Stimme wie aus weiter Ferne. Es dauerte einige Augenblicke, bis die Bedeutung der Worte, die gesprochen wurden, in sein Bewusstsein drang. „Du hast nicht alles, was an innerer Kraft in dir ist, eingesetzt, Rajin, sonst hättest du es geschafft.“
    Es war die Stimme des Weisen Liisho, die da zu ihm sprach. Der weißbärtige, kahlköpfige und auf seltsame Weise alterslos wirkende Mentor des jungen Prinzen hob sich als dunkler Schatten gegen das Licht der Flammen ab.
    Er trug ein weites Gewand, das an den Hüften von einem breiten Gürtel zusammengehalten wurde. Hinter diesem Gürtel steckte ein etwa ellenlanger Drachenstab und ein drachenisches Schwert in schwarzer Lederscheide, die mit goldfarben schimmernden Sinnsprüchen in drachenischen Schriftzeichen verziert war.
    Liisho trat einen Schritt auf den Block aus Drachenbasalt zu. Er strich mit der Hand darüber hinweg und schloss dabei kurz die Augen.
    „Dieser Basaltbrocken muss aus einem besonders tiefen Feuerschlund stammen, der geradewegs in die verborgenste Tiefe der
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