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Prinz für die Köchin

Titel: Prinz für die Köchin
Autoren: M Zagha
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ob Madame reserviert habe? Offenkundig war er eleganter gekleidete Gäste gewöhnt. »Madame« sah sich neugierig im Speisesaal um. Sie wusste nicht genau, was sie erwartet hatte – blütenweiße Tischdecken und schimmernde Gläser in einem mediterranen, prachtvoll ländlichen Ambiente vielleicht? Dies hier war schließlich das berühmte Boustifaille, dessen Küchenchef vor nunmehr zehn Jahren der regionalen Küche – oder der cuisine de terroir , wie diese in Frankreich genannt wurde – seinen Stempel aufgedrückt und sie frisch und aufregend gemacht hatte.
    Was sie stattdessen erblickte, waren Wände, die, genau wie der Boden, mit Spannteppich in einem unansehnlichen und ziemlich düsteren Ochsenblutrot bezogen waren, und an denen überall Bilder von traurigen Clowns hingen. Während sie sich im Stillen dachte, dass dies vielleicht nicht jedermanns Geschmack sein mochte, wurde Imogen außerdem bewusst, wie extrem ruhig es hier drin war. Nur ein paar wenige Tische waren besetzt. Aber es war ja auch noch früh – gerade mal halb zwölf –, und zweifellos würde später mehr los sein.
    »Nein, ich habe nicht reserviert«, sagte sie und lächelte den maître d’ an. »Aber vielleicht können Sie mir helfen …«
    »Ich werde sehen, was ich tun kann, Madame«, erwiderte der Mann. »Dürfte ich mich nach Ihrem Namen erkundigen?«
    »Imogen Peach. Ich bin die neue Küchenhilfe – die neue stagiaire.«
    Der Mann schnappte nach Luft und sagte dann in völlig anderem Tonfall: »Sie haben hier nichts zu suchen. Der Zugang fürs Personal ist hinten, durch die Küche.« Heftig schüttelte er den Kopf. »Oh là là, Monsieur Boudin wird gar nicht erfreut sein, nein, ganz und gar nicht. Er hatte sowieso schon keine gute Laune, und jetzt … Also, worauf warten Sie denn noch? Schnell, schnell, beeilen Sie sich!«
    Nachdem sie aus dem Speisesaal gescheucht worden war, trat eine verstörte Imogen durch die Hintertür in einen hellen Raum voller verschwitzter Männer und französischem Gebrüll.
    Und dann ihre erste Küchenerfahrung: eine nicht enden wollende verschwommene Abfolge schrecklicher Peinlichkeiten. Angefangen hatte es damit, dass sie sich Michel Boudin vorgestellt hatte, wobei sie versuchte, in ihrem Schulfranzösisch ihre Bewunderung für sein Restaurant auszudrücken und ihm für die wundervolle Chance zu danken, hier arbeiten zu können. Doch der chef – ein Riesenkerl, der unglaubliche Ähnlichkeit mit Eric Cantona hatte und vor Testosteron nur so strotzte – hatte alle Förmlichkeit ungeduldig beiseitegewischt.
    »Ach ja, das neue Mädchen«, sagte er auf Englisch mit deutlichem Akzent und musterte sie abschätzig von oben bis unten. »Du schälst die Zwiebeln, ja?«
    Also Gemüse. Aufgeregt fragte Imogen sich, was für Köstlichkeiten sie wohl zubereiten würde. Die rustikale provenzalische Küche war berühmt für ihre erfindungsreichen aromatischen Zucchini-, Auberginen- und Bohnengerichte … In freudiger Erwartung lief ihr das Wasser im Mund zusammen.
    »Okay«, sagte sie, nachdem sie die schlecht sitzende weiße Kluft übergestreift hatte, die irgendjemand ihr in die Hand gedrückt hatte. Sie stopfte ihr Haar unter eine weiße Kappe und betrachtete einen großen Sack Zwiebeln, der auf einem Tresen lag. »Wo ist das Spülbecken?«
    »Warum?«
    »Es ist so«, erklärte Imogen höflich, »ich schäle Zwiebeln lieber unter dem Wasserhahn, damit mir die Augen nicht brennen.«
    Monsieur Boudin baute sich vor ihr auf und starrte sie mit glitzernden dunklen Augen drohend an. »Nein, was ist denn das für ein Irrsinn? Hey, du«, brüllte er einem jungen Mann zu, der ganz in der Nähe stand und emsig an Hühnerkadavern herumsäbelte.
    »Chef?«
    »Verstehst du das? Die kleine Aushilfe, sie kann keine Zwiebeln schälen, weil ihr dann die Augen brennen. Kapierst du das?«
    »Nein, Chef!«, antwortete der junge Mann und drehte sich halb zu ihnen um. Es war, stellte Imogen fest, niemand anderes als Dimitri, der lüsterne Tramper. Vor lauter Verlegenheit wurde ihr ganz anders. Doch noch ehe sie etwas sagen konnte, ließ Monsieur Boudins Stimme sie abermals zusammenfahren. »Worauf wartest du? Glaubst du, das hier ist ein Ferienlager? Das ist meine Küche, begreifst du das?«
    »Ja, ich verstehe, aber … könnten Sie mir vielleicht ein bisschen mehr zu dem Gericht sagen?«, fragte Imogen holprig auf Französisch.
    »Was denn für ein Gericht?«, donnerte Monsieur Boudin. » Du bist nicht zum Kochen hier«,
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