Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche
Autoren: Nancy Livingston
Vom Netzwerk:
selbst.»
    «Sie haben also nichts gegen
Mrs. Kenny?»
    «Nein, das Dorf war in Gefahr,
den Anschluß zu verpassen, aber sie hat hier wieder Leben reingebracht.
Vielleicht wird sogar bald ein Supermarkt gebaut. Die Alten, die hergekommen
sind, um hier einen ruhigen Lebensabend zu verbringen, mögen das alles
natürlich nicht. Sie betrachten sie als Eindringling und Störenfried, aber die
Jüngeren sind von ihr begeistert.»
    «Das kann ich mir denken»,
seufzte Mr. Pringle.
    «Wenn die Wandmalereien
wirklich Besucher anlocken, überlege ich mir, ob ich nicht samstags hier im Pub
eine Disco mache.»
    «Das wäre sicher noch ein
weiterer... Anreiz», bemerkte Mr. Pringle höflich.
    «Eine ganze Menge hängt davon
ab, wie jetzt das Fest läuft. Mrs. Kenny hat alle mit eingespannt. Die Frauen
sind für die Ausschmückung der Kirche zuständig. Sie haben eine
Sondererlaubnis, daß sie auch Blumen pflücken dürfen, die eigentlich unter
Naturschutz stehen. Die Blumen sollen nämlich mit den Wandgemälden harmonieren.
Es soll alles möglichst so gestaltet werden, daß es an die Zeit erinnert, in
der Wuffinge entstand. Es wird sogar zwei Grüne Männer geben, und unsere
Pfadfinder spielen Fremdenführer.»
    «Grüne Männer sind aber
heidnischen Ursprungs», wandte Mr. Pringle ein. «Soviel ich weiß, sind sie Teil
eines Fruchtbarkeitskults im Frühjahr.» Der Wirt zuckte mit den Achseln.
    «Das sehen wir nicht so eng.
Solange es dem Geschäft nützt... Auf dem Dorfanger wird ein Zelt errichtet. Ich
glaube, morgen schon. Dort soll alte englische Volkskunst verkauft werden.
Strohpüppchen und Kupferarmreifen, na Sie wissen schon...»
    Mr. Pringle konnte sich nicht
erinnern, irgendeine der Frauen im Dorf jemals bei der Anfertigung eines
Strohpüppchens beobachtet zu haben. Eines stand für ihn jetzt schon fest. Er
würde Freitag nach dem Mittagessen Wuffinge verlassen. Ein Blick auf die
Wandgemälde, und dann so schnell wie möglich zurück nach London, um dem zu
erwartenden Ansturm der Massen zu entgehen. Er deutete auf sein leeres Glas,
lud den Wirt ein, sich auch selbst einzuschenken, und erkundigte sich, ob es
belegte Brote gebe.
    «Belegte Brote bekommen Sie
hier an der Bar, und wenn Sie ein richtiges Menü wollen — das gibt’s im
Bunker.»
    «Wo?»
    «Im Bunker, hinten im Hof.» Mr.
Pringle folgte dem Wirt ans Fenster und erblickte draußen zu seinem Erstaunen
den alten Unterstand, bei dessen Bau er damals mitgeholfen hatte. Auf dem Dach
befand sich eine Geschützstellung, und neben dem Eingang parkte ein mit Netzen
und Zweigen getarnter Militärjeep, der offenbar mit einer leistungsfähigen
Tonanlage bestückt war, welche die passende Klangkulisse lieferte: erst das
Geheul einer Sirene, dann das Starten einer Staffel von Abfangjägern und das
ferne Donnern von Flakgeschützen. Der Wirt strahlte vor Stolz. «Sie glauben gar
nicht, wie beliebt der Bunker ist, besonders bei den Yuppies. Möchten Sie jetzt
mal einen Blick auf die Speisekarte werfen?»
    Mr. Pringle streckte zögernd
die Hand aus. Braune Suppe Windsor-Art, Dosenfleisch oder Hechtmakrele mit
Erbspüree und Salzkartoffeln, Maniok-Pudding oder Dickmilch. Menüpreis £ 14,75
inklusive einer Tasse Instant-Kaffee. Lebensmittelmarken nicht erforderlich! Der Wirt schien gespannt auf Mr. Pringles Kommentar.
    «Die meisten Gäste wollen von
mir wissen, was Hechtmakrele ist», sagte er schließlich. Mr. Pringle schwieg.
Er brauchte diese Erklärung nicht. Seine Großmutter hatte sich damals jedesmal
wortreich entschuldigt, wenn sie ihm den widerwärtig tranigen Fisch aufgetischt
hatte.
    «Ich hätte gern ein
Roastbeef-Sandwich mit viel Meerrettich», sagte er bestimmt.
     
    Nach dem Mittagessen und einem
längeren Telefongespräch mit einem gewissen Gavin, der auf die Reparatur von
Unfallschäden spezialisiert zu sein schien, machte Mr. Pringle sich auf den Weg
zum anderen Ende des Dorfes. Vor der zu neuem Leben erweckten Schule sah er
eine Gruppe von Müttern, die offenbar auf ihre Sprößlinge warteten. Unter der
Autobahnbrücke blieb er stehen. Das unablässige Dröhnen über ihm bildete einen
merkwürdigen Kontrast zu der friedlichen Idylle um ihn herum. Dicht vor ihm
hoppelten gemächlich zwei Kaninchen über den Weg. Flopsy und Mopsy unterwegs zu
ihrem Besuch bei Mrs. Tiggywinkle, dachte er und lächelte wehmütig in
Erinnerung an diese frühe Kindheitslektüre. Entzückt beobachtete er einen
Augenblick später, wie ein Schneehuhn seine Kücken um sich scharte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher