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Pringle in Trouble

Pringle in Trouble

Titel: Pringle in Trouble
Autoren: Nancy Livingston
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Fernsehproduzenten eine lange Zeit und völlig ausreichend, die Erinnerung
an das, was vor acht Tagen war, vollständig zu tilgen. Und so war es Jonathans
Gedächtnis tatsächlich völlig entfallen, welchen Tanz er aufgeführt hatte, bloß
um mitgenommen zu werden. Ihm fiel ein, daß die Luft hier oben im Norden
angeblich besonders gesund sei, und so öffnete er das Fenster und atmete tief
ein. Seine Körpertemperatur sank schlagartig ab, und er vermeinte zu spüren,
wie die kalte Luft seine Luftröhre entlangkratzte und sich in der Lunge
Eiskristalle bildeten. Mein Gott, das war ja lebensgefährlich hier!
    Mochte Clarissa sagen, was sie wollte,
mochte sie ihn auf Knien anflehen, doch zu bleiben — er würde nach Hause
fahren, zurück in den warmen Smog von Shepherd’s Bush.
    «Nicht springen!»
    Der Ausruf ließ Jonathan erschreckt
zusammenfahren. Er machte einen Satz nach vorn, verlor die Balance und fand
sich in ungefähr zwanzig Metern Höhe, halb draußen, halb drinnen, über dem
dunklen Wasser des Schloßgrabens baumelnd.
    Er schrie gellend um Hilfe.
    «Nicht loslassen!» sagte Valter van
Tenke aus dem Nebenfenster.
    «Reden Sie nicht solchen Quatsch»,
schrie Jonathan, «ich wünschte, ich hätte etwas zum Festbalten ! Hilfe!
Hilfe! Holt mich wieder rein!»
    Das Fenster unter ihm öffnete sich, und
Clarissa streckte den Kopf heraus und erkundigte sich vorsichtig: «Jonathan?
Bist du für den Aufstand da oben verantwortlich?»
    «Er beugt sich gefährlich weit aus dem
Fenster», rief Valter zu ihr herunter, «wenn er nicht aufpaßt, fällt er noch
hinunter.»
    Clarissa blickte hoch. Einige Meter
über sich sah sie Jonathans Gesicht, dunkelrot vor Anstrengung. Seine Arme
zerteilten die Luft, als sei er beim Rückwärtskraulen.
    «Jonathan, hör auf mit dem Blödsinn.
Das ist gefährlich! Du kannst dir den Kopf aufschlagen, wenn du aus dieser Höhe
hinunterfällst. Außerdem kannst du nicht schwimmen, und das Wasser da unten ist
schrecklich dreckig.»
    «Holt mich rein. Bitte!!»
    «Ich kann dem, was die Dame eben gesagt
hat, nur zustimmen», ließ sich van Tenke vernehmen. «Ein Kopfsprung aus solcher
Höhe verlangt eine gewisse Übung. Selbst ich...»
    «HOLT MICH REIN!»
    Clarissa und van Tenke blickten sich
an. Das hatte ja beinahe echt geklungen.
    «Soll das heißen, du kannst wirklich
nicht mehr zurück?» erkundigte sich Clarissa, noch immer zweifelnd.
    «Genau das, du dumme Kuh — ahh, ich
falle!»
    Sein Körper glitt ein paar Zentimeter
nach vorn, und Clarissa konnte sehen, wie sein Mund und seine Augen sich zu
runden Löchern des Entsetzens weiteten. Ein Schrei größter Pein entrang sich
seiner Brust.
    «Das Ding — es steckt mir im Hintern!»
    Valter van Tenke beugte sich vor, um
die Situation genauer zu begutachten.
    «Ich glaube, er meint den
Fensterhaken», verkündete er.
    «Kommen wir in dein Zimmer rein, oder
hast du abgeschlossen?» fragte Clarissa, nun doch besorgt.
    «Nein — ja. Ich weiß nicht mehr.»
    «Ich werde nachsehen.» Valter
verschwand. Ein paar Meter weiter rechts ging ein weiteres Fenster auf, und
eine Stimme fragte: «Ist etwas passiert?» Es war Hugh.
    «Guten Abend», sagte Clarissa höflich.
«Jonathan kann nicht mehr zurück.»
    «Du liebe Güte! Das sieht gefährlich
aus.»
    «Sie... blöder... Esel!» Jonathans
Stimme klang kraftlos. Clarissa hörte, wie an der Klinke seiner Tür gerüttelt
wurde.
    «Es scheint, als hättest du doch
abgeschlossen.»
    «Ich werde hier oben sterben, ich wußte
es. Hier, wo kein Mensch mich kennt...»
    «Sei nicht so verdammt wehleidig!»
    Die beiden schienen näher miteinander
bekannt zu sein, entschied Hugh bei sich, aber die Zeit der ersten Verliebtheit
lag offenbar hinter ihnen — und zwar schon länger. Das Mädchen gefiel ihm.
Unerwartet tauchte plötzlich wieder van Tenke an seinem Fenster auf, schwenkte
einen Schlüssel und rief: «Noch ist nicht alles verloren! Ich probiere es mit
meinem eigenen Schlüssel!»
    «Quatschen Sie nicht so viel, tun Sie
endlich etwas!» rief Jonathan zu ihm hinüber.
    «Ich werde Ihnen helfen», erbot sich
Hugh.
    Die Tür von Jonathans Zimmer stand
bereits offen. Hugh eilte hinein. «Eins-zwei-drei?» fragte Valter und packte
Jonathan am Hosenbund. Hugh nickte und griff sich ein Bein. «Eins — zwei — drei!»
Sie zogen. Valter war überraschend stark. Jonathan flog quer durchs Zimmer,
Hugh landete auf seinem Hintern. Das Mädchen, die Arme verschränkt, in der Tür.
«Beeil dich, Jonathan, es ist
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