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Pringle in Trouble

Pringle in Trouble

Titel: Pringle in Trouble
Autoren: Nancy Livingston
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    Dieses Buch hat nichts zu tun mit
irgendwelchen wirklichen Menschen, toten oder lebenden, und vor dem
Polizeiposten in Pickering steht auch keine Telefonzelle.

Kapitel eins
     
    «Schloß Aquitaine wurde von Heinrich
II. als Geschenk für seine Frau erbaut. An ihrem zehnten Hochzeitstag kerkerte
er sie dort ein...» Mrs. Burg hielt inne.
    Hugh lauschte interessiert. Er stellte
sich vor, wie es wäre, wenn er bei seiner Heimkehr Marion einfach in einem der
vier Schlafzimmer ihres gemeinsamen Hauses einsperren würde. Er seufzte. Ganz
sicher enthielt der Hypothekenbrief irgendeine Klausel, die derlei untersagte.
Und prompt meldete sich sein Magengeschwür: körperlicher Beweis, daß Marion und
er noch immer, wie es in der Bibel hieß, ein Fleisch waren.
    Von ihrem Platz hinter dem
Empfangstisch fuhr Mrs. Burg fort: «Das Schloß ist seit 1503 im Besitz der
Familie Willoughby. Vor Zeiten führten sie auch den gräflichen Titel derer von
Pickering, doch im Jahre 1789, die Französische Revolution hatte gerade ihren
Höhepunkt erreicht, brach der Earl mit seiner Familie zu einem Ferienaufenthalt
nach Paris auf. Seine Fähigkeit, die Situation einzuschätzen, war wohl etwas
begrenzt. Als die Pariser ihn mit ‹Bürger› anredeten, beschimpfte er sie als ‹Verdammte
Ausländen. Trotzdem hätte er vermutlich um die Guillotine herumkommen können — die
Franzosen hatten eine Scheu, jemanden hinzurichten, dessen Namen sie nicht
richtig aussprechen konnten —, doch der Earl wies alle gütlichen Vorschläge,
Geld für die neue Republik zu spenden, als erpresserisch zurück und landete so
zusammen mit seiner Frau und allen seinen Kindern — bis auf den jüngsten Sohn —
auf dem Schafott.
    Dieser Sohn war nicht in Eton gewesen
und verstand deshalb einigermaßen Französisch. Als der Oberaufseher in seinem
Gefängnis ihm anbot, ihm seine — leider ausnehmend häßliche — Tochter zur Frau
zu geben, griff der junge Mann ohne Zögern zu, obwohl das Mädchen nicht einmal
eine Mitgift bekam. Und auf Vorschlag seines Schwiegervaters willigte er ein,
auf seinen Titel einstweilen zu verzichten, bis sich die Zustände in Frankreich
wieder normalisiert hätten. Doch tragischerweise fand er dann in der Schlacht
von Waterloo den Tod. Zwar hatte er noch den jetzigen Zweig der Familie
begründen können — aber unglücklicherweise, während er auf der falschen Seite
stand. Die gegenwärtigen Besitzer, die das Schloß im Jahre 1979 in ein
Sanatorium umwandelten, sind deshalb nur schlicht als Colonel und Mrs.
Willoughby anzureden. Wenn Sie genau hinsehen, werden Sie übrigens bemerken,
daß sie noch immer eine Guillotine im Wappen führen. Die beiden gespreizten
Finger darunter sollen Triumph über Widrigkeiten symbolisieren. Wenn ich Sie
dann jetzt zu Ihrem Zimmer führen darf...»
    Hughs Lächeln war das eines Menschen,
der realisiert, daß er eine falsche Wahl getroffen hat, aber auf Grund der
bereits geleisteten Anzahlung nicht mehr zurück kann. «Gibt es jemanden, der
sich um das Gepäck kümmert?»
    Mrs. Burg bewegte sich mühsam hinter
dem Tresen hervor. Hugh hatte mit professionellem Blick bereits eine
arthritische Wirbelsäule diagnostiziert; nun sah er, daß sie offenbar auch noch
unter entzündeten Fußballen litt. Ihr Blick schweifte suchend durch die riesige
Eingangshalle. «Eigentlich haben wir fürs Gepäck einen Mann...» Sie wedelte
unsicher mit ihrer altersfleckigen Hand, so als könne sie ihn dadurch
herbeizaubern. «Leider scheint er im Moment nicht greifbar zu sein.»
    Hugh starrte hinunter auf den Lederkoffer,
ein Geschenk seines Vaters zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag. Er wog
selbst leer etwa eine Tonne. Mrs. Burg humpelte auf ihn zu.
    «Ich helfe Ihnen.»
    «Nein, nein!»
    Das Lächeln auf seinem Gesicht war zu
einer Grimasse gefroren.
    Er warf sich seinen Tweed-Mantel über
die Schulter, packte die Reisetasche und zuletzt den Koffer. Der steile Weg vom
Parkplatz bis hierher — zuerst durch einen trockengelegten Wassergraben und
dann über schlüpfriges Kopfsteinpflaster — hatte ihn völlig fertiggemacht. Und
nun noch das hier. Vielleicht wollte sein Vater, daß er jung sterben sollte? Er
wie auch die Mutter hatten seine Heirat mit Marion immer mißbilligt. Versuchten
sie nun aus dem Jenseits, seinen schnellen Abgang zu bewerkstelligen, damit sie
bald wieder vereint wären?
    Unwillig runzelte er die Stirn. Er
durfte solchen morbiden Phantasien keinen Raum geben,
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