Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pringle in Trouble

Pringle in Trouble

Titel: Pringle in Trouble
Autoren: Nancy Livingston
Vom Netzwerk:
weiblicher Fahrgast waren so
erschöpft, daß ihnen selbst das Sprechen zuviel war. Doch schließlich raffte
sich eine von ihnen auf. «Wir sind schon mindestens zwanzig Kilometer daran
vorbei.»
    «Blödsinn!»
    Der Fahrer war beruflich angewiesen auf
Durchsetzungefähigkeit und erprobte diese auch in seinem Privatleben. Jonathan
P. Powers war Fernsehproduzent. Er pflegte sich und seine Tätigkeit mit den
Worten zu umschreiben: «Ich bin eine kreative Persönlichkeit und bemühe mich,
anspruchsvolle Programme zu entwickeln und zu gestalten.» Leider hatte er seit
langem den Anschluß verpaßt. Die alten Inhalte waren seit geraumer Zeit nur noch
banal, die ehemals avantgardistischen Formen heute hoffnungslos altmodisch.
Jonathans Situation in der Fernsehbranche war vergleichbar der einer
Sternschnuppe im interplanetarischen Raum: Er war dabei, sich
hinauszukatapultieren. In stillen Nachtstunden wurde ihm diese Tatsache
zuweilen bewußt und machte ihn am Tag nur noch aggressiver. In den Studios
mischte er sich rücksichtslos in fremde Gespräche, die bei seinem Auftritt
alsbald versandeten, und versuchte alle möglichen Leute festzuhalten und durch
einen tiefen Blick in ihre Augen festzustellen, was sie von ihm hielten. Wenn
sie ihn bewunderten oder beneideten — gut. Doch in den meisten Augen stand
Mitleid.
    Daß er sie auf ihrer Fahrt begleitete,
kam den beiden Frauen ungelegen, aber Jonathan hatte dies einfach nicht zur
Kenntnis nehmen wollen. In den vergangenen fünf Stunden war ihnen noch einmal
ganz deutlich geworden, wie unerwünscht ihnen seine Anwesenheit war. Seine
Mutter, die im Fond saß, war empört. Das sah Jonty ähnlich. Er war schon als
Kind groß darin gewesen, anderen den Spaß zu verderben! Sie und Clarissa hatten
sich auf Ferien zu zweit gefreut, bis ihm eingefallen war, daß er eigentlich
mitfahren könnte. Unbehaglich rutschte sie auf dem Polster der Rückbank ein
Stück zur Seite. Ihre Hüfte schmerzte noch von der Operation. Wenn sie und
Clarissa wie geplant in ihrem kleinen Auto gefahren wären, dann hätte sie vorn
sitzen und die Fahrt genießen können. Und sie wären längst da gewesen.
    «Warum hörst du nicht auf sie, Jonty?
Es ist jetzt das dritte Mal, daß wir uns verfahren...»
    «Sei still, Mutter!»
    Krachend schaltete er herunter; er
hatte wieder einmal vergessen, daß es heutzutage fünf Gänge gab. Mrs. Rees
kochte innerlich. Diese Abfuhr hatte sie nicht verdient.
    Vorn auf dem Beifahrersitz schloß die Ehrenwerte
Clarissa Pritchett die Augen und versuchte sich zu erinnern, was sie damals auf
die Idee gebracht haben mochte, mit Jonathan etwas anzufangen. Zugegeben, vor
zehn Jahren war alles anders gewesen. Damals war ei im Kommen, die großen
Sonntagszeitungen hatten seinen Sendungen jedesmal Vorabkritiken gewidmet, er
wurde für alle möglichen Preise nominiert. Und sie selbst war damals seine
bevorzugte Mitarbeiterin gewesen, zuständig für das Aufspüren von Themen und
Trends. Das alles hatte sich geändert. Inzwischen mußten sie schon froh sein,
wenn sein Name in der Daily Mail erwähnt wurde, und oft genug geschah es
im Zusammenhang mit einem Verriß. Von der besten Sendezeit abends nach den
Nachrichten waren sie in nunmehr zehn Jahren in das belanglose Nachmittagsprogramm
abgerutscht. Und was ihre private Beziehung anging, so erschien sie ihr kaum
weniger öde als die Moorlandschaft um sie herum. Wenn sie verheiratet wären,
hätte sie wenigstens die Scheidung einreichen können. Plötzlich brach der Wagen
zur Seite aus und kam mit einem Ruck zum Stehen. Die Augen noch immer
geschlossen, wappnete sie sich für den Stoß, der jetzt folgen mußte. Vielleicht
war dies die Lösung? Als sie schließlich die Augen öffnete, sah sie vor sich
zwei Schafe, die, geschäftig kauend, gleichmütig ins Wageninnere starrten.
    «Diese verdammten Bauern! Die Viecher
sind mir direkt vor den Kühler gelaufen!»
    Jonathan preßte heftig und rhythmisch
den Daumen auf die Hupe.
    «Wir sind hier auf einer
nichteingezäunten Straße — damit war zu rechnen. Außerdem sind wir vorhin an
einem Warnschild vorbeigekommen...!»
    «Ja, das habe ich auch gesehen»,
bestätigte Mrs. Rees. Ihre schlechte Stimmung begann zu weichen.
    «Schon gut, schon gut. Gib mir mal die
Karte.»
    Es dauerte eine Weile, bis er begriff,
daß er sie falschherum hielt und umdrehte; dabei verhedderte sich seine
indische Kette mit dem Lesezeichen. Er fluchte. Seine Sonnenbrille rutschte ihm
vom Haar zurück auf die Nase,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher