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Pringle in Trouble

Pringle in Trouble

Titel: Pringle in Trouble
Autoren: Nancy Livingston
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bildete die einzige Öffnung im ansonsten
ununterbrochenen Mauerverlauf.
    Bei seiner Ankunft hatte er bemerkt,
daß das Schloß eine eigenartige Architektur besaß — es wies nur drei, statt der
sonst üblichen vier Außenmauern auf. Die nach Südwesten gehende Seite wurde
statt dessen von einer hohen Glaskuppel überwölbt. Er fragte sich, wie es zu
dieser baulichen Veränderung gekommen sein mochte. Die Erklärung war einfach:
Nachdem im Jahr 1979 das Anwesen durch Erbschaft an den Colonel gefallen war,
hatte seine Frau erklärt, daß sie nicht vorhabe, sich mittelalterlichen
Unbequemlichkeiten auszusetzen, vielmehr beabsichtige sie, das Schloß in eine
Stätte des Luxus und des Wohllebens zu verwandeln, würdig der sprichwörtlichen
Stadt Sybaris. Es gelang ihr, den für die Grafschaft Yorkshire zuständigen
Bevollmächtigten der Gesellschaft zur Erhaltung ländlicher Schlösser nach
Aquitaine zu locken und ihn zu überzeugen, daß die aus viktorianischer Zeit
stammenden Stützpfeiler außen an der Südwestmauer eine architektonische Sünde
seien. Damit hatte sie zweifellos recht — nur erfüllten sie dummerweise auch
eine Funktion. Die unglückseligen Männer des Abbruchteams kamen nicht einmal
mehr dazu, den Rückwärtsgang einzulegen, da hatten die herabstürzenden
Gesteinsbrocken sie schon samt ihren Planierraupen unter sich begraben.
    Mrs. Willoughby verspürte durchaus
Anteilnahme für die armen Hinterbliebenen, vor allem aber doch Genugtuung. Ihr
Hof war nun von Sonnenlicht durchflutet, und der National Trust hatte keinen
Mucks von sich gegeben. Sie sagte dem Bevollmächtigten der Gesellschaft zur
Erhaltung ländlicher Schlösser ein paar tröstende Worte und schickte ihn dann
nach Hause. Kaum war er weg, begann sie mit den Umbauarbeiten. Ein Swimmingpool
wurde gebaut, überdacht von einer riesigen gläsernen Kuppel, unter der eine Art
tropisches Paradies entstand. Umgeben von üppigem Grün konnten sich die Gäste
in dem mit duftenden Essenzen versetzten Wasser aalen; sie konnten aber auch
hinausschwimmen, dorthin, wo der Pool sich als Teil der Terrasse im Freien
fortsetzte, konnten ihren Blick über die weite Moorlandschaft schweifen lassen
und dann wieder zurücktauchen in den von grünem Dämmerlicht erfüllten Raum wie
in einen warmen Mutterschoß. Es war dieser Raum, der die Bezeichnung «Solarium»
führte.
    Zum Gedenken an die getöteten Männer
des Abbruchteams hatte Mrs. Willoughby eine blaue Plakette anfertigen lassen.
Die feierliche Enthüllung wurde von dem Präsidenten der Gesellschaft zur
Erhaltung ländlicher Schlösser höchstselbst vorgenommen. Seitdem rostet sie
hoch oben in der Mauer, überwuchert von Jasmin und Bougainvillea langsam vor
sich hin.
    Hugh entzifferte die blankgeputzten
goldenen Lettern — « Solarium: Bitte schließen Sie die Tür ». Er drückte
dagegen. Sie ging jedoch offenbar nach außen auf. Er zog. Eine Welle
feucht-heißer Luft schlug ihm entgegen, und sofort klebte ihm das Hemd am
Körper. Es herrschte ein ohrenbetäubender Lärm — frenetische Pfauenschreie,
noch übertönt von schrillen Menschenstimmen. Der Mangel an Sauerstoff
verursachte ihm Atemnot, so daß er keuchend nach Luft rang. In dem allgemeinen
Tumult unterschied er eine hohe, durchdringende Stimme, begleitet von einem
meckernden Lachen: «Ich erspähe einen Fremdling. Das sagt man doch hier in
England, oder? Wenn jemand kommt, den man nicht kennt?»
    Fünf Leute wandten ihre Köpfe und
starrten Hugh kritisch an: er war der einzige, der einen Anzug trug. Mit
Schrecken fiel ihm die Anmerkung im Hausprospekt ein «Bringen Sie bequeme
Hauskleidung mit». Derartige Empfehlungen hatten sich in der Vergangenheit
stets als Falle entpuppt — hier war es offenbar ernst gemeint. Alle schienen
Bademäntel zu tragen. Er sah seinen schäbigen Kaufhaus-Bademantel vor sich, den
er eingepackt hatte in der festen Überzeugung, daß er ihn nur in der
Abgeschlossenheit seines Zimmers tragen würde. Konnte er damit wirklich hier
erscheinen? Er holte tief Luft, entschlossen, sich damit herauszureden, daß er
so vielbeschäftigt sei und deshalb erst in letzter Minute Zeit gehabt habe zu
packen... Seine Brille beschlug. Er stolperte, fiel ein paar Steinstufen
hinunter und landete der Länge nach in ihrer Mitte.
    Er hörte besorgtes Getuschel und
spürte, wie er von ungeübten Händen angefaßt und kurz abgetastet wurde. Die
helle Stimme einer Frau verkündete: «Das sagen wir nur im Parlament, Mr. van
Tenke, aber nicht
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