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Prime Time

Prime Time

Titel: Prime Time
Autoren: Liza Marklund
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ihr die Schwiegermutter und die Schären erspart blieben, wich der Sehnsucht.
    »Mein kleines Mädchen«, flüsterte sie gegen den Kopf des Kindes, »Mama hat dich so lieb.«
    Ellen protestierte. Sie wollte nicht schlafen. Annika brachte es nicht über sich, sie loszulassen.
    »Mama kommt später. Jetzt darfst du bei Papa und deinem großen Bruder bleiben. Das wird schön werden, ich weiß, das ist das Beste für dich.«
    Das Kind wandte den Kopf ab, weg von der Lüge, zog die Beine an und steckte den Daumen in den Mund. Annika strich ihr unbeholfen über das Haar. Ihr Herz verkrampfte sich. Dann verließ sie rasch das Schlafzimmer, wobei sie an den Türrahmen stieß. Aus dem Wohnzimmer hörte man Scooby Doo, der von einem Geist gejagt wurde, und irgendwo hinter dem Lärm die kleine spröde Singstimme von Kalle.
    Andere Leute schaffen das auch, dachte sie. Es geht. Es muss gehen.
    »Ist das dein Ernst?«, fragte Thomas, als sie in den Flur kam. »Willst du wirklich wegfahren und arbeiten? Jetzt?«
    Die letzten Worte waren etwas zu laut. Sie sah auf den Holzfußboden.
    »Es ist sonst keiner da. Ich habe Dienst, du weißt doch, wie wenig Leute wir …«
    »Jetzt hör aber mal auf!«, schrie er, nach vorn gebeugt und mit hochrotem Kopf. »Auf Gällnö sitzen eine Menge Leute und warten auf uns, und du willst da einfach nicht hinfahren?«
    Es war ein Wechselbad der Gefühle, erst Panik, dann Erleichterung und Sehnsucht. Jetzt war sie nur noch wütend, unerwartet und sinnlos wütend.
    »Sie warten auf dich«, sagte Annika, »nicht auf mich. Ich bin denen scheißegal, das weißt du sehr gut.«
    Kalle kam mit weit aufgerissenen Augen in den Flur, als er hörte, wie laut die Eltern waren. Er kletterte auf Annikas Schoß und legte seine Hände um ihren Hals.
    »Du bist wirklich unmöglich«, sagte Thomas.
    »Jetzt mach es nicht noch schlimmer«, erwiderte Annika.
    Sie beugte sich nach vorn und sprach mit leiser Stimme.
    »Fahr in die Schären, feiere mit deinen Kumpels und deinem Bruder, lass die Kinder spielen, dann wird schon alles gut.«
    Der Junge schob die Nase hinter ihr Ohr.
    »Kumpels? Wenn man dich hört, könnte man glauben, dass das eine verdammte Vergnügungsreise ist. Kumpels! Meine Eltern sind da und alte Tanten!«
    Annika riss sich von der Wärme los, küsste den Dreijährigen auf die Wangen. Es war wie Samt unter den Lippen. Dann sah sie zu Thomas hoch.
    »Es liegt an dir, was daraus wird«, sagte sie. »Wenn ihr am Sonntag nach Hause kommt, werde ich wieder da sein.«
    Sie setzte den Jungen ab, stand auf und zog sich die Regenjacke an.
    »Das ist ja wohl nicht dein Ernst«, sagte Thomas. »Du kannst mich doch nicht mit all dem hier sitzen lassen.«
    »Da werden so viele Leute sein, dass mich keiner vermissen wird. Und die Kinder schon gar nicht. Viel Spaß.«
    Sie zog die Stiefel an, warf ihre Tasche über die Schulter und steckte den Laptop in ihre schwarze Tasche. Ihr Blick war scheu, aber unbeirrt auf Thomas gerichtet.
    »Das kommt dir ja gerade recht«, sagte er mit erstickter Stimme.
    »Wir haben doch schon darüber geredet«, sagte sie. »Es fällt mir nicht leicht. Du weißt doch, dass ich gehen muss.«
    »Du bist wirklich eine lausige Mutter.«
    Die Farbe wich aus ihrem Gesicht.
    »Glaubst du, ich mache das hier zum Spaß?«, fragte sie atemlos. »Jetzt bist du aber ungerecht.«
    »Verdammt noch mal«, sagte er. Sein Rücken war steif, sein Gesicht rot. »Das verzeihe ich dir nie. Verdammt.«
    Annika blinzelte. Die Worte trafen sie, ließen sie aber andererseits auch kalt. Die Arbeit schloss sich wie ein Panzer um sie und machte sie unerreichbar. Sie drehte sich langsam um, nahm den Jungen in den Arm, flüsterte etwas in sein Ohr und war weg.
    Bertil Strand hatte während Annikas Elternzeit einen neuen Dienstwagen bekommen, wieder einen Saab. Annika ahnte schon, dass er damit noch pingeliger sein würde als mit dem vorigen, wenn das überhaupt möglich war.
    »Das hat ja ganz schön lange gedauert«, sagte er, als sie die Tasche und den Laptop auf den Rücksitz warf.
    Sie beobachtete den Gesichtsausdruck des Fotografen, als sie die Autotür viel zu hart zuknallte.
    »Beschissenes Wetter«, murmelte sie.
    »Es ist schließlich Mittsommer«, sagte Bertil Strand. »Was hast du denn erwartet?«
    Er legte den ersten Gang ein und fuhr kurz vor dem 62er Bus von der Haltestelle weg. Annika wurstelte sich aus der Regenjacke und kämpfte mit dem Sicherheitsgurt. Ihr Mund war trocken.
    »Hast du die
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