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Priester des Blutes

Priester des Blutes

Titel: Priester des Blutes
Autoren: Douglas Clegg
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spürte ich das Werk der Myrrydanai. Trotz des niederprasselnden Regens wütete das Feuer, und Blitze zuckten über die schwarzen Wolken, die grollend über den Himmel zogen. Ich schloss die Augen, als wir über vertrauten Boden flogen, und umklammerte den Stab der Nahhashim, um aus ihm Kräfte für die Suche zu schöpfen. Als ich die Anwesenheit von Alienora fühlte,
pochte mir das Herz schnell in der Brust. Menschliche Erinnerungen überfluteten meine Sinne, und ich begehrte sie mehr, als ich sie jemals begehrt hatte. Alle Gefühle meiner jungen Liebe waren zurückgekehrt, und ich begann ihre Gegenwart innerhalb der Schlossmauern zu spüren.
    Da hörte ich in meinen Gedanken eine eigenartige Stimme - eine Stimme, die ich, wenn auch nur kurz, schon innerhalb des Schleiers, in meiner Spiegelvision, vernommen hatte: die der seltsamen, verschleierten Jungfrau, die als Calyx bekannt war. »Falkner, du kommst zu spät«, sagte sie.
    Ich beachtete diese Stimme nicht, da es sich dabei um eine Täuschung der Myrrydanai handeln konnte, sondern folgte einem Weg des Duftes in das Schloss hinab, an den Kammern entlang. Während des Fluges wies ich Ewen den Weg. Als wir den Gang durchquert hatten, der mir einst so vertraut gewesen war, fanden wir einen Ort der Trostlosigkeit vor.
    Ich missachtete jeden anderen Instinkt, über den ich verfügte, selbst ein Gefühl der eisigen Kälte, das mein Herz um klammert hielt. Alienora musste hier irgendwo eingeschlossen sein, war gefangen, eingesperrt in ihrem eigenen Zuhause. Mein Sohn. Ich hatte ihn im Glas gesehen. Er lebte viel leicht noch. Die Vision hatte sich möglicherweise noch nicht bewahrheitet.
    In der Kapelle. Genau die besagte Kapelle, in der unser Kind auch entstanden war.
    Ich landete, indem ich in die Hocke ging, wie Ewen neben mir.
    Alienora stand dort, vor dem Altar, nackt, als wäre sie die Jungfrau irgendeiner barbarischen Religion, die geopfert werden sollte.
    Ihre Brüste waren mit Blut bedeckt.
    Auf dem Altar lag ihr eigener jüngerer Bruder.
    Sein Herz war ihm aus der Brust gerissen worden.

    Sie hielt es in der Hand, es schlug noch.
    Alienora drehte sich mit einer unergründlichen Miene zu mir um. Sie war von Einer abgründigen Schönheit - es war der strahlende Glanz einer Göttin des Blutvergießens.
    In dieser Sekunde wusste ich es.
    Sie stand unter dem Einfluss der Myrrydanai.
    Sie war bei ihnen.
    Die Schatten an der Wand wurden länger, und es gelang mir nicht, mir erneut Flügel wachsen zu lassen. Und ich spürte auch nicht die Quelle meiner Macht in meinem Inneren. Es fühlte sich an, als wäre ich mit Stricken gefesselt worden.
    Ich hob den Stab der Nahhashim in die Höhe, doch dabei spürte ich plötzlich ein Ziehen an meiner Hand. Als ich hinsah, erblickte ich dunkle Finger, die nach dem Stab griffen. Der Stab der Nahhashim flog mir aus der Hand und wurde von einem der Schatten zu Alienora gebracht.
    »Die Macht des Blutes der Medhya nimmt die Nahhashim gefangen«, sagte sie. Daraufhin hob sie das Herz ihres Bruders an die Lippen und trank daraus, als wäre es ein Becher.
    Und dann umringten uns die Schatten der Myrrydanai. Dies ist irgendeine unbekannte Zauberei, teilte ich Ewen durch den Strom mit. Es wurde ihr große Macht verliehen. Sie hat ihre Liebe vergessen. Sie hat ihre Seele vergessen.
    Die Schatten, die uns umringten, flüsterten in Einer unverständlichen Sprache, die wie der Gesang zu einem Ritual klang. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Fesselungsritus, denn die Dunkelheit erstickte mich allmählich.
    Ich spürte, wie die Priester mich in ihre Arme schlossen und jede Stelle meines Leibes mit ihren Schatten bedeckten.
    Jede Kraft, die in meinem Inneren existiert hatte, war vergangen. Es schien, als tränken die Myrrydanai sie, so wie der Stamm Blut trank.

    Ich verschwand in der Schwärze und hatte schreckliche Angst, mich auf dem Weg in die Auslöschung zu befinden.
    Plötzlich war im Strom ein fürchterliches Kreischen zu vernehmen. Dann umfing mich Dunkelheit.

IM BRUNNEN DES DURSTES
    Ich erwachte, als sich die Schatten zerstreut hatten. Mein Blick war nach oben gerichtet, da meine Augen sich gen Himmel öffneten. Doch da gab es keinen Himmel. Wir befanden uns in einer Art Brunnen. Fackeln waren in der Nähe seines Randes angezündet worden und wirkten wie eine Krone aus Feuer hoch über uns.
    Unter uns befand sich schlammiger Boden.
    Ich lag da, an Ewen geschmiegt, und spürte die Verzweiflung, fürchtete den Hunger, der mich
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