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PR Odyssee 03 - Das Energie-Riff

PR Odyssee 03 - Das Energie-Riff

Titel: PR Odyssee 03 - Das Energie-Riff
Autoren: Hans Kneifel
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des Körpers konnte tödlich werden. Sie wäre nicht die erste, die an Hitzschlag starb. Sie hob den Kopf, als sie eine Art fernen Donner hörte. Auch die anderen Gestalten erstarrten. Aber es war noch lange nicht die Stunde, in der die auflaufende Flut mit ihrer rauschenden Brandung kam. Das tiefe Rumpeln und Poltern drang aus den Wolkenbänken, die sich undeutlich im Westen über dem Horizont ballten. Tiefrot, schwarz verwaschen und nebelgrau, wie jeden
    Nachmittag. Dann erkannte Tasha die Ursache des Lärms. Ein Raumschiff des Empire von Nodro, wahrscheinlich ein Frachter, befand sich im Landeanflug.
    Das Schiff brachte zweifellos wieder eine Ladung neuer Deportierte ins Lager und holte die Vorräte von Clezmor-Schwämmen ab. Für die Verurteilten auf der Insel Tapasand bedeutete das zweierlei: Mehr Hungrige und Dürstende und mehr erbitterte Kämpfe um die Schwämme und somit um Wasser und Nahrung. Und: Schnelleren Tod für diejenigen, die zum Kämpfen zu ausgemergelt und zu apathisch waren. Das Tapasand-Isolationslager war eine Tötungsmaschinerie. Von Anfang an als Stätte unblutiger, aber qualvoller Hinrichtungen geplant und erbaut.
    Tasha zog ihre Füße mit geringstmöglicher Anstrengung aus dem Schlick und ging, während das Donnern der Bremstriebwerke lauter wurde, auf das Riff zu. Das Schiff flog, wie bisher alle Frachter, den Landeplatz von Westen, aus Richtung Sonnenuntergang an. Nach zwei Dutzend Schritten erschütterte das Geräusch des landenden Frachters die gesamte Umgebung.
    Ein Schatten huschte über die Uferzone, und Tasha sah zwischen zerbrochenen Muschelschalen und glitzernden Fischschuppen eine Ölqualle. Das Tier pulsierte schwach, und das ausgelaufene Öl schillerte in allen Farben.
    Vorsichtig bückte sich Tasha, zerdrückte das durchscheinende Gewebe zwischen den Handflächen und hob, ehe sie die tote Qualle fallen ließ, beide Arme. Der Rest des wässrigen Öls tropfte nicht in den Dreck, sondern lief über ihre tief gebräunte Haut.
    Tasha rieb, so lange das Öl reichte, ihr Gesicht, den Nacken und jede Handbreit Haut der Schenkel ein, die Unterarme und den Oberkörper. Die fette Suspension aus den Zellen der Nesselqualle roch nach abgestandenem Brackwasser und verfaulendem Fisch. Aber sie verhinderte, dass Tashas Haut austrocknete, dass sich jeder Schnitt, jede Abschürfung entzündete und dass sich binnen Stunden eitrige Geschwüre bildeten. Tasha ließ keinen Gedanken an die Hoffnungslosigkeit ihres Tuns zu. Jeder Nerv pulsierte in gesteigertem Überlebenswillen - obwohl sie es besser wissen musste: Hunderte waren vor ihren Augen gestorben.
    In der grauenhaften Intensität des schattenlosen Lebens unter der stechenden Sonne waren ihre Träume von den Traumhabitaten, der ehemaligen Heimat ihrer Familie, zu salzigen Rinnsalen geronnen. Wie Hautkrebs, der noch die Gesündesten tötete, fraß jeder Tag etwas mehr von der winzigen Hoffnung, die irgendwo in Tashas Bewußtsein hockte und sich wie eine trocknende Spore verbarg. Jedes Mal, wenn Tasha an das Überleben dachte, war die Anstrengung größer: Aber sie tauchte immer wieder aus der schwarzen Tiefe der Niedergeschlagenheit auf und schöpfte, wenn auch für immer kürzere Zeit, gerade so viel Hoffnung, dass sie den Gedanken ans Aufgeben verdrängen konnte.
    Sie zwang sich, den Kopf zu heben und im blendenden Blau des Himmels nach dem Raumschiff zu suchen.
    Das Schiff, die zerschrammte CLIDEYNA, schwebte röhrend und donnernd heran. Mit durchdringendem Quietschen falteten sich die Gestänge der Landestützen aus der dreihundertsechzig Meter langen Nodroplast-Schiffshülle. Flüchtig erkannte Tasha einige Lettern des Schiffsnamens ... EYNA. Der kleine Frachter schwebte zum Energie-Riff und landete hinter der Sperre in einem riesigen Wirbel aus Salzkristallen. Das Landefeld war nicht viel größer als der Schiffskörper. Das Dröhnen der Atmosphärentriebwerke riss ab; wie der Rücken eines Magnoraunden ragte das Schiff über die Zacken des Riffs hinaus.
    Noch vor einem Jahr hatte Tasha die Zentrale eines solchen Schiffes fast besser gekannt als ihr eigenes winziges Apartment.
    »Sie bringen wieder eine Ladung Affail nach Tapasand«, sagte sie leise. »Lauter gute Leute, deren Stolz mit dem Diktat der Zwillingsgötzen unvereinbar ist. « Die fünfte Landung, seit Tasha zusammen mit fast zweihundert anderen Rebellen aus den Gefangenenzellen des Frachters in die hoffnungslose neue Existenz als Todeskandidatin hinausgestoßen worden war.
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