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PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen

PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen

Titel: PR Lemuria 03 - Exodus der Generationen
Autoren: Andreas Brandhorst
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Lied, das sich nicht verändert hatte.
    Darhel und die anderen sahen ihn an.
    »Na schön, ich versuche es«, sagte Jorgal und schloss die Augen. Er versuchte sich vorzustellen, mit einem Spiel zu beginnen, öffnete sich ganz der Melodie, verglich ihre Tonfolgen miteinander und hielt nach der Struktur Ausschau, die es ihm erlaubte, das eigene Selbst dem Lied als zusätzlichen Ton hinzuzufügen. Er ließ sich von den Resonanzen tragen und umarmen, von Vibrationen auf angenehme Weise kitzeln, und ruhte in den kurzen Pausen, die einzelne Melodienteile voneinander trennten und ihr Tiefe verliehen. Dies war seine Welt; hierher gehörte er, in die Welt des Maschinengesangs. Hier gab es nichts, vor dem er sich fürchten musste; hier erwarteten ihn Schutz und Geborgenheit. Warum hatten die Normalen das nie verstanden? Warum hatten sie einmal die Verbindung unterbrochen, als es ihm fast gelungen wäre, ganz in der Schiffssymphonie aufzugehen?
    Jorgal ließ sich von den Schwingungen der Tonfolgen den Weg zeigen, erforschte ihre zahlreichen Verzweigungen und wusste plötzlich, welche Töne er verändern musste, um mit einem Funksignal ein Schott zu öffnen, die Manövrierdüsen zu zünden und die Kapsel hinaus zusteuern.
    Etwas berührte ihn am dritten Bein, und er öffnete die Augen, ohne die Verbindung zu unterbrechen. Bilder überlagerten sich, und eins von ihnen zeigte ihm Darhel an seiner Seite, und neben ihm
    Memerek, der sanfte Blick ihrer großen Augen - fast so schön wie der Maschinengesang - auf ihn gerichtet.
    »Dorthin.« Darhel deutete durchs Fenster, auf etwas, das sich schattenhaft vor dem Hintergrund der Sterne abzeichnete. »Bring uns dorthin. Es ist ein anderes Fragment des Schiffes, größer als jenes, das wir verlassen haben. Und die Sensoren sagen, dass seine ambientalen Systeme funktionieren. Vielleicht finden wir dort Sicherheit.«
    Jorgal erhoffte sich mehr als das. Er wünschte sich laute Maschinengesänge.

Roder Roderich
    Zwei große Raumschiffe blieben hinter den vier Kriechern zurück, beide kugelförmig, aber eins mit einem Ringwulst und das andere mit abgeplatteten Polen: die PALENQUE und die LAS-TOOR . Auf den Bildschirmen und Displays vor Roder Roderich schrumpften sie ebenso wie der Planet, auf dem der größte Teil der Sternenarche LEMCHA OVIR abgestürzt war.
    »Kriecher I an PALENQUE«, klang Catchpoles Stimme aus dem Lautsprecher des Hyperfunkgeräts. »Bestätige volle Einsatzbereitschaft.«
    Die beiden anderen Kriecher meldeten sich ebenfalls, und schließlich ging Roderich auf Sendung.
    »Hier ist Nummer Vier, Oma. Auch bei uns funktioniert alles bestens.«
    »Wenn du mich noch einmal >Oma< nennst, drehe ich dir den Hals um, Jungchen.« Das Bild auf einem Display wechselte und zeigte Sharita Coho, die mehr als siebzig Jahre alte Kommandantin der PALENQUE. Es blitzte in ihren dunklen Mandelaugen, als sie einen gespielt bösen Blick auf Roderich richtete und drohend den Zeigefinger hob.
    »Das dürfte dir bei meinen beiden langhalsigen Begleitern leichter fallen«, erwiderte Roderich und grinste. »Bis später, Oma.« Er schloss den Übertragungskanal.
    Hinter ihm zwitscherte es.
    »Hast mal wieder vergessen, den Translator einzuschalten, Yülli«, sagte Roderich.
    Es klickte leise, und dann ertönte ein eindrucksvoller Bass. »Irgendwann wird es ihr zu viel, und dann macht sie die Drohung wahr. Und ich heiße nicht Yülli, sondern Yülhan-Nyulzen-Y'sch-Takan-Nyül.«
    Roder Roderich hob erstaunt die Brauen, drehte sich um und sah den Blue an. »Das hast du mit Absicht getan.«
    »Was?«
    »Den Translator auf eine so tiefe Stimme programmiert. Klingt fast so, als käme sie aus einem Grab.«
    »Ich fühle mich noch sehr lebendig. Im Gegensatz zu dir, wenn Sharita wirklich mal der Kragen platzt.«
    Yülhan saß zwei Meter hinter dem Piloten an den komplexen Kontrollen der Sondierungsapparaturen, mit dem Rücken zu Rode-rich. Er brauchte sich natürlich nicht umzudrehen, denn der scheibenförmige, fast einen halben Meter breite und nur etwa zehn Zentimeter hohe Kopf wies auch hinten zwei ellipsoide Augen auf.
    Ein zweiter Blue kam aus dem winzigen Labortrakt im Heck von Kriecher IV und duckte sich durch die für ihn zu kleine Tür. Trülhan-Nyulzen-Y'sch-Takan-Trül, von Roderich Trülli genannt, war zwei Meter zwölf groß und überragte seinen Bruder damit um genau zehn Zentimeter. Es gab noch einen zweiten Unterschied, einen gelben Fleck über dem vorderen rechten Auge. Abgesehen davon
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