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PR 2670 – Der Weg des Konstrukteurs

PR 2670 – Der Weg des Konstrukteurs

Titel: PR 2670 – Der Weg des Konstrukteurs
Autoren: Marc A. Herren
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drei Sekunden prüfte, analysierte er das Aussehen und das Verhalten des Fremden.
    Er kam zu drei Schlussfolgerungen. Erstens: Der humanoide Fremde war trotz aktivierten Hyperschirms in das Innere des Asteroiden gelangt, was auf eine überlegene Technologie schließen ließ. Zweitens: Der Fremde verhielt sich nicht aggressiv. Die Wahrscheinlichkeit eines unmittelbaren Anschlages auf Sholoubwa oder seine Station stufte der Roboter als gering ein. Drittens: Die Maße bezüglich Körperbau und Größe des Fremden stimmten mit einem ihm bekannten Wesen überein, das sich zum Zeitpunkt ihres ersten Aufeinandertreffens bereits einmal höherwertiger Technologie bedient hatte.
    Der Fremde drehte sich langsam um.
    Er ähnelte einem Mowener mit gleichmäßigen, symmetrischen Gesichtszügen. Nach mowischen Maßstäben war er als »attraktiv« einzustufen.
    »Ich grüße dich, Bote«, sagte Sholoubwa.
    »Und ich grüße dich, Konstrukteur Sholoubwa«, sagte der Bote auf Mowenisch. Dann deutete er mit dem Daumen auf den Stasissarg. »Ich muss sagen, dass mich der Anblick von Port'aldonars Leichnam überrascht. Nach meinen Informationen fehlt dir eine Bioplasma-Komponente. Bringt deine einzigartige Konstruktion nun auch Emotionen zustande? Ehrst du mit diesem Sarg das Andenken an deinen Schöpfer?«
    »Ich kann denken, aber nicht fühlen«, sagte Sholoubwa. »Emotionen sind mir fremd.«
    »Weshalb dann der Leichnam im Stasisfeld?«
    »Meine Inspiration ist rechnerisch nicht nachvollziehbar«, gab Sholoubwa zur Antwort. »Sie ist impuls- und zufallsbasiert. Manchmal entsteht sie durch die Beobachtung chaotischer Abläufe, manchmal durch das Verhalten emotionsgeprägter Lebewesen.«
    »Und manchmal durch den Anblick eines Toten.«
    »Nicht so sehr«, sagte Sholoubwa vage. »Meine Grundprogrammierung benötigt stets neue technische Herausforderungen, aber auch neue Ideen. Der Anblick meines toten Erstprogrammierers verbildlicht meinen Auftrag, stets für beides zu sorgen.«
    Der Bote drehte sich um. Lange blickte er auf das Gesicht des Toten. Sholoubwa hatte ihn so konserviert, wie er gestorben war.
    »Cholaquin Port'aldonar war ein maßloses Wesen«, sagte der Bote nachdenklich. »In allem, was er tat. Er hätte zu einem wichtigen Mitarbeiter für meine Auftraggeber werden können. Eine solche Arbeit hätte aber auch Verzicht bedeutet. Der Konstrukteur war aber nicht bereit, auf die Aspekte der Maßlosigkeit zu verzichten.«
    Er hob die Hand, strich über das Gesicht Port'aldonars, ohne das Stasisfeld zu berühren. »Sein letzter Gesichtsausdruck spricht von Entsetzen und Fassungslosigkeit. Vielleicht war es dieser letzte Moment, der ihn zur Wahrheit brachte. Die Erkenntnis, dass er sein Genie für bedeutsamere Dinge hätte einsetzen können, als Waffensysteme für kriegslüsterne Völker zu bauen. Dass er kosmische Geschichte hätte schreiben können.«
    »Cholaquin Port'aldonar hat mich gebaut«, entgegnete Sholoubwa. »Sein letzter Gesichtsausdruck entspricht der Überraschung und Verzweiflung, die ihn erfüllte, als er erkannte, dass ich seinen letzten Auftrag nicht befolgt habe.«
    Der Bote wandte sich um. In seinem Gesicht spiegelte sich ein Ausdruck, den Sholoubwas Erkennungsroutinen nur ungenügend deuten konnten.
    »Loyalität ist für einen Konstrukteur von entscheidender Bedeutung«, sagte er mit eindringlichem Tonfall. »Ich hoffe, das ist dir bewusst.«
    »Das Prinzip der Loyalität ist mir bekannt.«
    Der Bote schwieg mehrere Sekunden.
    »Du bist hier, um mir das gleiche Angebot zu machen wie einst meinem Schöpfer?«, fragte Sholoubwa.
    »Du bist ein interessanter Fall«, sagte der Bote nach einem weiteren kurzen Zögern. »Meine Auftraggeber verfolgen deine Entwicklungen schon eine längere Zeit. Falls du einverstanden bist, nehme ich dich zu einem Treffpunkt mit, wo man dir das Angebot meiner Auftraggeber näher erörtern wird.«
    »Ich bin einverstanden«, sagte Sholoubwa.

3.
    Die Entscheidung
    Galaxis Karn-Legrek, 4581 NRG
     
    »Wie willst du, dass ich dich anspreche, Bote?«, fragte Sholoubwa.
    »Nenn mich Rekruteur.«
    »Ich kalkuliere, dass wir meine Basis auf demselben Weg verlassen, auf dem du sie betreten hast?«
    »Deine Vermutung ist korrekt.«
    Vor dem Konstrukteur und dem Boten der Hohen Mächte entstand unvermittelt ein Rechteck, das hochkant in der Luft schwebte. Sholoubwas Sensoren konnten zwar den Rahmen anmessen, aber weder dessen materielle Zusammensetzung noch eine darin enthaltene
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