Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

PR 2646 – Die Tage des Schattens

Titel: PR 2646 – Die Tage des Schattens
Autoren: Leo Lukas
Vom Netzwerk:
Sayporaner.
    »Danke, ich habe bereits gefrühstückt.«
    »Sehr gut. Dann lass uns gleich zur Sache kommen.«
    Wieder dieses Lächeln, ebenso einnehmend wie entrückt, auf seinem Puppengesicht – das ihr in diesem Augenblick so vertraut erschien und das sie dennoch hinterher nicht würde beschreiben können. Dabei hielt sie große Stücke auf ihre Beobachtungsgabe.
    Aber Sayporaner waren, bei aller Menschenähnlichkeit, nun mal nicht zu fassen, unfassbar , undefinierbar: geradezu eigenschaftslos, weder hässlich noch schön; geschlechtslos, weder maskulin noch feminin. Changierend, irisierend wie ihre Haut, die schwach schimmerte, Seifenblasen vergleichbar oder Perlmutt oder dem Farbenspiel eines Ölfilms auf Wasser.
    Ohne persönlichen Charakter ; jedoch nicht ohne Charisma.
    »Ich habe Nachricht von Gadomenäa erhalten«, setzte Marrghiz fort. »Gute Nachricht. Deutlich früher als erhofft wird die erste Kohorte der neuformatierten jungen Terraner zurückkehren.«
    »Aha?« Sie wusste spontan nicht, was sie mit dieser Eröffnung anfangen sollte.
    »Ich erwarte mir davon mittelfristig eine Entspannung der Lage. Schließlich wird so dem abstrusen Vorwurf, wir hätten Terras Kinder unwiederbringlich geraubt, jegliche Grundlage entzogen.«
    »Verstehe. Ich soll diese Neuigkeit also kommunizieren?«
    »Nicht sofort. Der Zeitpunkt der Ankunft muss auf den Tag genau fixiert werden. Um den 15. November herum, wurde mir avisiert, aber ich möchte das Datum erst bekannt geben, wenn es endgültig feststeht. Bitte leg mir ein Konzept vor, wie die Heimkehr der Neuformatierten am besten zu inszenieren wäre – nämlich als emotional befriedigendes und befriedendes Ereignis.«
    Phaemonoe lachte trocken. »Deswegen werden die Guerilla-Aktionen gewiss nicht aufhören ... Falls du wirklich dauerhaften Frieden mit Terra willst, das wäre leicht. Erstens: Rückgabe sämtlicher entführter Jugendlicher. Zweitens: Abzug aller Sayporaner, Fagesy und Spenta. Drittens: Auflösung der Fimbul-Kruste und Reaktivierung der Sonne. Viertens: Rückführung des Solsystems an seinen angestammten Platz in der Milchstraße. Ich will nicht zu viel versprechen, aber danach könnten wir vielleicht richtig gute Freunde werden.«
    »Ich mag deinen Humor«, sagte der neue Herr der Welt weich. »Doch, wirklich. Diese latente Aufsässigkeit hat etwas Erfrischendes. Wie ihr Terraner mir ja überhaupt sehr am Herzen ...« Er stockte, ließ den Satz unvollendet.
    Seine Augen weiteten sich. Über die makellos glatte Gesichtshaut liefen in rascher Folge mehrere regenbogenfarbene Wellen, als habe etwas Unsichtbares die Oberfläche erschüttert.
    Plötzlich alarmiert, schwieg auch Phaemonoe. Sie befürchtete, schon zu weit gegangen zu sein, und wollte den Bogen nicht endgültig überspannen.
    Nach einer längeren, von quälender Stille erfüllten Gesprächspause stand Marrghiz ruckartig auf. »Ich muss dich bitten, dich zurückzuziehen«, stieß er hervor, wobei seine Stimmlage unvermittelt aus einem angenehm sonoren Bariton in fast schon schrillen Sopran umschlug. »Unsere Unterredung ist beendet. Dringlichere Dinge erfordern meine volle Aufmerksamkeit.«
    »Hör mal, falls ich dich beleidigt haben sollte ...«
    »Nicht im Mindesten. Ich schätze, wie gesagt, deinen kritischen Intellekt und bin zuversichtlich, dass du deinen Auftrag zu meiner vollen Zufriedenheit erledigen wirst. Jetzt aber geh. Du wirst wieder von mir hören.«
    Das kam, obwohl sein Tonfall bemüht höflich blieb, einem Rausschmiss recht nahe. Verdattert trat Phaemonoe Eghoo den Rückzug an.
    So hatte sie den Oberbefehlshaber der Auguren noch nie erlebt. Was war bloß auf einmal in ihn gefahren?
     
    *
     
    Marrghiz atmete aus, nachdem sich endlich die Tür hinter der lächerlich renitenten Terranerin geschlossen hatte.
    Sein Körper, sein Geist, sein ganzes Wesen befand sich in Aufruhr. Etwas Ungeheuerliches kündigte sich an.
    Es ging ihm durch und durch. Er verspürte große Angst und noch größere Freude.
    Ihm wurde die ultimate Gnade zuteil, erstmals in seinem Leben. Marrghiz wusste – wenngleich nicht, woher –, dass QIN SHI im Begriff war, persönlichen Kontakt mit ihm aufzunehmen!
    Theoretisch war ihm der Vorgang bekannt. Die Schriften der Sayporaner behaupteten, dass die Superintelligenz schon mehrfach, jeweils in langen, unregelmäßigen Abständen, auf den Planeten des Weltenkranzsystems »ihr Gesicht gezeigt« habe.
    Dies war ein stehender Terminus: »Sein Gesicht zu zeigen«
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher