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PR 2643 – TANEDRARS Puppe

PR 2643 – TANEDRARS Puppe

Titel: PR 2643 – TANEDRARS Puppe
Autoren: Christian Montillon
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Endreas verstand nicht, weshalb sich dieser mögliche andere Überlebende vor ihm verbergen sollte. Andererseits vermochte er sich auch nicht vorzustellen, was überhaupt auf diesem Beiboot geschehen sein mochte. Was es in ein einziges, großes, fliegendes Grab verwandelt hatte.
    Genauso kam es ihm vor – als sei er lebendig begraben in einer riesigen Gruft, die rein zufällig nicht auf einem Friedhof lag, sondern durchs All trieb.
    »Hallo?« Es war nicht gerade das Intelligenteste, was er in dieser Situation rufen konnte, aber mehr fiel ihm gerade nicht ein. Er fühlte sich, als wäre sein Verstand völlig blockiert. Seine Hände zitterten schon wieder, als er dem Schott entgegenging, um es zu öffnen.
    »Halt!«
    Jemand trat auf ihn zu, aus einer Nische in weniger als vier Metern Entfernung, die er zuvor nicht gesehen hatte. Oder hatte es sie noch nicht gegeben? War sie täuschend echt verschlossen gewesen?
    Außerdem war es nicht jemand, sondern etwas, das sich auf ihn zubewegte. Ein Roboter, ein typisches, annähernd wie ein Terraner geformtes Servomodell mit einer grundlegenden Programmierung, die man auf jede nur denkbare Art erweitern konnte. Endreas hatte mit einer dieser Maschinen auch für sein Restaurant an Bord der BASIS geliebäugelt, aber das nötige Geld nicht aufbringen können.
    »Was willst du?«, herrschte er den Robot an.
    Weshalb er einen so barschen Tonfall anstimmte, verstand er selbst nicht; er war froh, einen Gesprächspartner gefunden zu haben, sogar wenn dieser nicht lebte. Möglicherweise wusste die Maschine mehr, und wenn es etwas gab, was Endreas brauchte, waren das Informationen.
    »Möchtest du dieses Schott tatsächlich öffnen?«, fragte der Servoroboter. »Bist du dir sicher?«
    Was war das für eine seltsame Antwort? »Was spricht dagegen?«
    »Bist du auf den Anblick gefasst?«
    »Welchen Anblick?«
    »Bist du darüber im Bild, was in den letzten Tagen ...« Die mechanische Stimme des Roboters stockte. »Stunden ... in den vergangenen Wochen ...« Ein erneutes Stocken. »Was geschehen ist, seit das Beiboot von der BASIS geflohen ist?«
    »Was soll das heißen?« Endreas litt zwar unter einem Blackout, und er hatte sich in diesem Schrank verkrochen, aber das konnte ja wohl kaum mehr als einige Stunden her sein; von Wochen ganz zu schweigen. »Wie lange liegt es zurück?«
    Der Servoroboter kam vier knackende Schritte näher, blieb direkt vor Endreas stehen. Sein stilisiertes Gesicht mit den starren, künstlichen Augen neigte sich ihm zu. Das Licht der Deckenbeleuchtung reflektierte auf der leicht vorgewölbten Kugel des Augapfels. »Es kommt darauf an.«
    »Es kommt auf gar nichts an!«, schrie Endreas, dessen unterschwellige Angst sich plötzlich in nackten Zorn verwandelte. »Ich habe dir eine völlig klare Frage gestellt und verlange eine Antwort!«
    Ob er als einfacher Passagier befugt war, einen solchen Befehl zu erteilen, spielte in diesem Moment absolut keine Rolle. Er war ein Mensch, der Roboter hingegen nur eine Maschine, die sich unterzuordnen und ihm zu dienen hatte!
    Der seelenlose Blick ruhte weiter auf ihm. »Die Antwort auf deine Frage fällt weitaus weniger eindeutig aus, als du es erwartest.«
    Der terranische Koch ballte die Hände zu Fäusten. »Stimmt etwas mit deiner Programmierung nicht?« Oder verliere ich den Verstand? Ist es das, was hier geschieht?
    »Du weißt also nicht, was an Bord geschehen ist?«, stellte der Servoroboter schon wieder eine Gegenfrage.
    Endreas hatte die Nase voll. Er würde keine einzige Sekunde mehr mit dieser sinnlosen Diskussion – falls man es überhaupt so nennen konnte – verlieren.
    Er öffnete das Schott.
    Und wünschte sich augenblicklich, er hätte es nicht getan.
     
    *
     
    Leichen trieben in der Luft.
    Näher als alle anderen schwebte ein Mann. Er hielt die Arme zur Seite ausgestreckt, die Finger gespreizt. Fast sah es aus, als wolle er fliegen mit Flügeln wie ein Vogel – nur dass er sich nicht bewegte. Das Gesicht war leichenblass und voller rotblauer Verfärbungen unter der Haut. Die Hände sahen nicht besser aus, und dicht vor den Lippen schwebte ein kleiner Tropfen Blut.
    Alles blieb völlig starr, sowohl dieser Tote als auch die zehn, zwanzig anderen hinter ihm. Nichts bewegte sich, wie in einer Holo-Momentaufnahme. Nur eines störte diesen Eindruck: ein grünblaues Flimmern dicht vor der Leiche des Mannes mit den ausgebreiteten Flügel-Armen.
    Endreas sah sogar einen winzigen, bunten Widerschein in der
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